erstellt von Christoph Neuberger (Universität Münster), Christian Nuernbergk und Melanie Rischke. Siehe PDF: Weblogs und Journalismus: Konkurrenz, Ergänzung oder Integration?
Festgehalten wird dort, dass D wie immer rückständig im Bereich Blognutzung (Leserschaft und Bloggen) gegenüber der Weltspitze ist. Die meisten Leser weisen diese Länder auf (Daten aus einer Edelman-Studie): Japan (74% der Onlinenutzer), Südkorea (43%), China (39%), USA(27%), England (23%), Frankreich (22%). Deutschland sei in Europa eines der Schlusslichter, da „lediglich“ 15% der Onlinenutzer Weblogs besuchen.
Sagen wirs mal so rum: solange man nicht die Besucherströme mit Hilfe von ISP Logs (ISP = Internet Service Provider wie T-Online) auswertet, sind alle Umfragen mehr oder minder mit Vorsicht zu genießen. Zu groß können die Schwankungen ausfallen. Insofern sollte man obige Zahlen mehr als Trend verstehen, denn als exakte Angaben.
Deutschland, Blog-Entwicklungsland?
So kommen dann auch Aussagen heraus, die den vermeintlichen Rückstand von Blog-Deutschland zu erklären versuchen:
Weshalb schneidet Deutschland im internationalen Vergleich so schlecht ab? Vermutungen darüber hat Jochen Wegner, Chefredakteur von „Focus Online“, angestellt. Für ihn ist Deutschland ein „Entwicklungsland in Sachen Blogs“. Neben der Unterversorgung mit Breitbandanschlüssen sieht er vor allem kulturelle Gründe: eine verbreitete Technologiefeindlichkeit, die vorrangige Orientierung an der Reputation von Anbietern, das Fehlen einer Rhetorikkultur und ein geringes Verständnis für die Idee der Redefreiheit.
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Warum Entwicklungsland angeblich?
Ich habe immer Bauchschmerzen bei solchen Vergleichen, werden doch Äpfel mit Birnen verglichen, wenn man versucht zu erklären, warum die Internetnutzung in China wesentlich niedriger als in D ausfällt, Japaner das Handy viel stärker nutzen als Deutsche, Amerikaner kaum ne Ahnung von SMS haben oder Brasilianer Orkut wie die Hölle lieben, die Deutschen jedoch nicht. Was also Wegener – wie viele andere auch – für Gründe anführen, kann ich nicht so richtg nachvollziehen. Argumente wie Technologiefeindlichkeit in einem Land wie Deutschland anzuführen ist ziemlicher Unsinn, da muss man nicht mal näher darauf eingehen. Blogs als Instrumentarium der Redefreiheit zu betrachten ist auch leicht schräg, wenn man sich überlegt, wie ausgeprägt die Deutschen wirklich alles und jedes vom hundertsen ins tausendste Detail durchdiskutieren. Eine mangelnde Rhetorikkultur anzuführen, ist im Land der Denker und Forscher ebenfalls irgendwie leicht realtitätsfern. Ist ja auch klar, wenn man Journalisten befragt, die alles durch ihre Brille sehen. So musste ich ziemlich schmunzeln, als ich das hier auf dem Media Coffee Blog zur Meta-Studie las: Während Blogs also in aller Regel eher als Resonanzraum der Massenmedien beschrieben werden, legt zumindest dieses Ergebnis nahe, dass Blogs nicht nur reflektieren, sondern auch Impulse in den Redaktionsalltag senden. Und ich dachte immer, das wäre ein Resonanzraum für ITler und Typen in Pyjamas:)
Gründe für schleichende Blog-Verbreitung
Man kann verschiedenste Gründe anführen, die eine stärkere Blog-Ausbreitung behindern (wobei ich eprsönlich die Blog-Zunahme hinsichtlich Leserschaft und gar dem Aufsetzen eines eigenen Blogs für völlig ausreichend erachte in D). Meine persönlichen Thesen:
– die Deutschen sind ein klassisches Warum– und Mitmach-Volk. Man hinterfragt alles nach seinem Nutzen. Dabei schaut man gerne, was der andere macht. Wenn er/sie es auch tut, macht man halt mit. Diese beiden Faktoren hängen unmittelbar zusammen. Das erklärt mE auch die doch sehr ausgeprägte Nutzung von Foren, IMs, Chatsystemen, Anbietern wie Google und eBay.
– Deutschland gehört zu einem der reichsten Länder der Erde. Die Menschen sind dermaßen gesättigt, dass sie lieber Gründe suchen, warum man etwas Neues nicht nutzen sollte, bevor man sein knappes Zeitbudget dafür aufbringt. Der Spruch „Deutsche leben um zu arbeiten“ kommt nicht von ungefähr. Zeit spielt eine immense Rolle in dieser Gesellschaft. Das ist natürlich auch im reichen Japan so, doch die Japaner hatten das Glück oder Unglück, im 20. Jahrhundert erfahren zu müssen, was es heißt, wenn man technologisch hinterherhinkt. Insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg ging es ans Aufholen. Viele Japaner haben mir berichtet, dass es nicht nur an der Kulturtransplantation der Amerikaner lag, wenn man die Verrücktheit nach technologischen Neuerungen erklären will, sondern auch der unbedingte Wille und das ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl, gemeinsam Japan nach vorne zu bringen. Südkoreaner haben ebenfalls eine ausgeprägte Haltung zur Arbeit (Faktor Zeit spielt auch hier eine große Rolle), jedoch wurde im Gegensatz zu Deutschland das Internet „staatlich angeordnet“, um aus der Krise wieder herauszukommen. Technikgläubigkeit als Heilmittel und gesellschaftlich bewußte Techniknutzung können also dazu führen, dass in bestimmten Ländern insb. das Internet eine sehr intensive Nutzung erfährt. Und insbesonders neue Dinge gerne aufgenommen werden. Ohne nach dem knappen Zeitbudget zu schielen.
– natürlich spielen die Medien in D eine gewaltige Rolle, was die Verbreitung der Blogs angeht. Sie weigern sich standhaft, über Blogs prominent zu berichten. Mit prominent meine ich die Schlagzeile der TV und Printmedien. Wir liefern ihnen aber keinen Anlass, da wir es eben noch nicht geschafft haben, Christiansen oder [Politiker XYZ] zu stürzen. Wir hatten auch Gott sei Dank keinen Bombenanschlag, keinen Tsunami oder gar ein 9/11 vorzuweisen. Ebensowenig haben wir keine smarte PR-Rampensau, die sich ins Fernsehen, ins Radio und in die Zeitungen drängelt so wie Loic le Meur in Frankreich, der es exzellent verstanden hat, diese für seine Zwecke einzuspannen. Und nicht umsonst die Nähe zu Sarkozy sucht (wobei das Bloggen per se für ihn lediglich einen Türöffner darstellt, eines Tages Bernard Etienne Arnault Konkurrenz zu machen). Was wir in den Medien vorfinden, sind lediglich typisch Deutsche Warum/Mitmach/Zeit-Artikel. Warum soll das was bringen. Mitmachen lohnt nicht, weil alle nicht mitmachen. Kostet nur Zeit. Ist eh nur doof. 90% aller Artikel sind idR negativ gehalten. Man bedient eben des Volkes Mund, da man seine Artikel loswerden muss. Niemand liest etwas, was die Leute nicht hören wollen:) Zumal man sich fragen muss, warum die Medien Blogs unterstützen sollten. Sind sie doch selbst in einer Umbruchphase mittendrin, wo es heißt, mit allen Mitteln ihre eigene onlinepräsenz zu stärken. Sie wären ziemlich dämlich, wenn sie Blogger so stark machen würden, dass die Leserschaft weiter diffundiert und von ihren eigenen Langweil-Angeboten fernbleibt (ich vergleiche das immer mit dem Lehrer-Problem: es gibt Schüler, die haben zehnmal mehr Ahnung von etwas als der Lehrer. Also werde ich zu wem gehen, wenn ich was wissen möchte? Das wird auch der Tod der Online-Medien in bestimmten Fachbereichen sein mit der Zeit, sobald die Leser verstanden haben, ihre Points of Interest zu einer eigenen Fachzeitung zusammenzustellen).
– aufgrund des sehr polypolistischen Internet-Marktes im Consumer-Bereich (viele Anbieter stehen vielen Nachfragern gegenüber) haben wir keinen Anbieter, der in der Lage wäre, auf einen Schlag einen Großteil seiner Kunden mit Blogs zu beglücken. Und damit eine starke Wellenbewegung auszulösen, die immer größere Kreise nach sich zieht. Strato macht für Blogs als die künftigen supereasy CMS-Lösungen keine Werbung. Ebensowenig 1&1, Hosteurope, T-Online und all die anderen. Wundert mich übrigens doch sehr. Die bisherigen Blog-Hoster wie Blogg.de, Blog.de, MyBlog.de etcpp sind viel zu klein, um irgendeine Marktmacht aufweisen zu können. Auch hat keiner von ihnen einen PR-Genius unter seinen Reihen, der die Heilsbotschaft verbreiten könnte, um sein eigenes Geschäft anzukurblen.
Schleichen heißt nicht Rückentwicklung
Doch ist das alles halb so wild. Mit jedem Tag erhöht sich die Anzahl der Kontakte. Kontakte in dem Sinne, dass ein weiterer Internetnutzer etwas auf einem Blog findet, was ihn begeistert und ihm den eigenen Nutzen vor Augen hält. So tun Blogger Tag für Tag ihr unermüdliches Werk, dass Blogs auf Mundfunk-Ebene im Traktor-Tempo immer bekannter und anerkannter werden. Schön langsam und unaufhaltsam. Sobald die User Blogs als ein weiteres Internet-Tool begriffen und vom Verständnis her adaptiert haben, wird das gleiche passieren, was mit Google passiert ist. Alle werden es nutzen wollen. Wirklich?
Persönliche Webpäsenz in Zukunft nur via Blogs?
Denn machen wir uns nix vor: ausnahmslos jeder Nutzer wird eines Tages seine eigene Webpräsenz aufgebaut haben. Blogs sind momentan die einfachsten CMS-Systeme, die so variabel sind, dass sie es Kennern ermöglichen, ihre Präsenz nach Belieben und Gusto auszugestalten. Six Apart hat mit Vox.com schon aufgezeigt, wie das aussehen könnte. Doch noch ist das Tool viel zu komplex, aber auch das Verständnis, eine eigene Webpräsenz mit all dem Schnickschnack aufzubauen, den man heute schon haben könnte, ist noch nicht da. Was soll das bringen, wie soll mir das bei was konkret helfen (schon jemals von einem Studenten gehört, dass ein Blog die Suche nach dem künftigen Arbeitgeber dramatisch vereinfachen kann?), wie soll das gehen? Man ist gewohnt, im Netz eine bestimmte Seite aufzusuchen, um dort aktiv zu werden. Der Gedanke, dass man das von „zu Hause“ aus könnte, hat sich noch lange nicht durchgesetzt. Wer weiß schon, dass man Videos embedden kann? Wer weiß schon, was Widgets sind? Oder RSS?
Es ist nicht nur das Technikverständis alleine, wie weit das Netz heute schon ist, noch sind Blogs per se nicht so einfach, dass das jeder ausgestalten kann, wie er sich das ausmalt. Aber auch das mag noch kommen. Man wird auch nicht unbedingt Blogs als Dialogmedium nutzen, eher als Container für alle möglichen statischen und dynamischen Informationen, die nicht unbedingt dialogisch sein müssen. Wie man heute schon erkennen kann, entwickeln sich weitere Angebote wie Netvibes oder aber MySpace-artige Präsenzen. Ich denke, dass sich diese Techniken in neuen Publishing-Systemen vereinen werden. Wie gesagt, dazu muss noch viel passieren: die Techniken müssen radikal einfacher werden, die User müssen einen Nutzen erkennen, das, was bei den Blogs passiert ist, nämlich zu einer usergetriebenen Vernetzungsindustrie zu werden, muss auch bei diesen neuartigen Webauftritten erst noch erfolgen.
Daher bin ich vorsichtig, das mit der Bezeichnung „Blog“ zu betiteln. Kann also sein, dass man das anders nennen wird. Webseite? Nur eben anders, als wir heutige persönliche Webseiten kennen.
Was wird die persönliche Webpräsenz ausmachen?
Sprich, die Webseite von morgen wird all das hier enthalten:
– das Blogsystem als Vorreiter einer vernetzten Kommunikation (inkl. Technorati&Co., Pings, RSS, etc)
– Netvibes als Vorreiter der Widet-artigen Einbindung von allen erdenklichen Modulen (auch auf PC/Apple Ebene auf dem Vormarsch). Man wird sein eigenes Web-Familienhaus so bauen können, wie man sich das selbst vorstellt. Obs nun mein eBay links ist, mein Blog rechts und oben die neuesten Polit-News ist nur eine Sache von Drag&Drop. Ich will von unterwegs meine Mails lesen und meine Bilder hochladen? Die neuesten TV-Nachrichten sehen? Formel 1? Mein Worddokument abrufen? Spam aus meinen Social Networks wie Xing und Myspace entfernen? Alles mit einem Account über meine eigene Seite unter Zuhilfenahme der dort eingebauten Tools.
– MySpace als Vorreiter einer explizit sozialen Vernetzung zu Interessensgruppen, Orten und Geschehnissen. Die jetzige Lösung, dass man sich an einem Ort wie MySpace versammeln muss, ist bedingt durch unsere reale Lebenserfahrung. Dank der Technik wird dieses zentralistische Modell aber seine Auflösung erfahren. Social Networking Anbieter werden zu Infrastruktur-Anbietern.
– YouTube und Flickr sind Vorreiter einer verstärkt medialen Präsenz (allzusehr hat uns das Fernsehen dahingehend beeinflusst). Mit ihnen wird das gleiche passieren, was heute mit der ARD als Kanal passiert. Morgen wird man nicht mehr auf YouTube gehen müssen, um sich Videos reinzuziehen. Es wird egal sein, ob YouTube oder Sevenload das Video hostet.
– Second Life als Vorreiter einer Einbindung in virtuelle Welten mit Schnittstellen zur persönlichen 2D-Präsenz
– jetzt möge man sich nur ausmalen, wenn wir tatsächlich always online auch von unterwegs mit wenig Kosten sein können, die Bandbreiten in Terrabyte-Bereiche hochgefahren werden, die ersten Menschen mit Biochips herumlaufen (Nanotechnologie in Klamotten wird diesbezgl. lediglich eine Schnittstelle sein, was die Sensorik und Kommunikationstechnik angeht). Es ist nicht schwer sich dann auszumalen, wie das technisch aussehen wird, wenn man beim realen Einkaufen etwas wissen möchte, wenn man einen Termin vereinbart, auf einer Party eine nette Lady kennenlernt und was davon von oder über die eigene Webpräsenz läuft. Schöne Neue Welt ist ein Fliegenschiss dagegen.