lese gerade den Bericht bei Johnny, dass Coca Cola zZt unter einem zunehmenden, öffentlichen Druck leidet, mit der Ermordung eines Gewerkschaftlers – Angehöriger der Gewerkschaft Sinaltranail – in einem kolumbianischen Abfüllbetrieb in Verbindung gebracht zu werden. Der Mord geschah 1996 angeblich durch Mitglieder einer paramilitärischen Organisation.
Nun wirds kompliziert: Die kolumbianische Gewerkschaft Sinaltranail hat 2001 in den USA Klage gegen Coca Cola erhoben. Nachdem eine Anklage in Kolumbien gegen die angeblichen Drahtzieher (den Führer der Paramilitärs vor Ort, den Produktionsmanager und den Betriebsleiter des Abfüllbetriebs) in Kolumbien gescheitert war. Man beabsichtigt, Coca Cola für die Morde verantwortlich zu machen. Doch das ist nicht so einfach, wie man denkt. Denn der Abfüllbetrieb ist eben kein Betrieb von Coca Cola.
Der Abfüllbetrieb nennt sich Bebidas y Alimentos, der Coca Cola Produkte in Carepa abfüllt. Bebidas y Alimentos ist im Familienbesitz eines gewissen Richard I. Kirby. Er hat einen Abfüllvertrag mit der Gesellschaft Panamco Colombia, die 17 Abfüllbetriebe in Kolumbien unter Vertrag hat (eigene oder fremde , wie eben Bebidas y Alimentos). Panamco Colombia ist eine 100%ige Tochter von Panamco, die das exklusive Recht seitens Coca Cola haben, deren Produkte in Kolumbien zu produzieren und zu vertreiben. Panamco ist ein US Unternehmen und zugleich das größte Abfüllunternehmen Lateinamerikas. Panamco selbst ist eine Tochter von Panamerican Beverages mit Sitz in Miami. Nun kommt Coca Cola ins Spiel: sie besitzen angeblich 25% von Panamco. Nebst knallharten Verträgen hinsichtlich Design, Abfüllmengen, etcpp (in D würde man wohl Panamco das Merkmal, ein eigenständiges Unternehmen zu sein absprechen, da Beherrschungsverträge und Eingriffe in die Betriebsplanungen dieser Art klare Merkmale sind) haben sie auch zwei Sitze im Aufsichtsrat. Diese Verflechtung reicht der Gewerkschaft aus, um Anklage gegen Coca Cola zu erheben.
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Betrachten wir es mal realistisch: Letztlich steckt anscheinend das berechtigte Ziel dahinter, mehr Sicherheit für die Gewerkschaften zu erreichen, indem man ausländische Konzerne wie Coca Cola unter den Druck der öffentlichen Gerichtsbarkeit setzt, da man scheinbar nicht in der Lage ist, die Probleme des Landes an der Wurzel zu packen.
Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem andauernden Bürgerkrieg. Der aus dem klassischen Problem resultiert, dass eine sehr kleine Oberschicht einen Großteil des Vermögens besitzt und kontrolliert. Aus diesem Ungleichgewicht heraus sind zwei dominierende Guerillaorganisationen FARC und ENC entstanden. Diese werden sowohl durch die Militärs als auch paramilitärische Einheiten bekämpft. Natürlich hat angeblich die US-Regierung ihre Finger drin, um der drohenden Destabilisierung des Landes vorzubeugen, die zwingend entstehen würde, sobald sich die Machtverhältnisse ändern. Denn es dürfte wohl leichter sein, einige Wohlhabende zu kontrollieren, als eine feindlich eingestellte Gruppierung. Das „Spiel“ wiederholt sich auch in Kolumbien: wirtschaftlich gesehen ist es ein wichtiges Land, nicht nur wegen der Koka-Pflanze 🙂 Und natürlich haben auch US-Unternehmen ein Interesse, dass sie in Ruhe ihre Geschäfte betreiben können.
Soweit die graue Theorie, wer wie wo warum verwickelt sein dürfte. Aber so oder oder so, ein Unternehmen wie Coca Cola vor den Karren zu spannen, um seine Ziele in Kolumbien zu erreichen, dürfte wenig erfolgversprechend sein. Natürlich könnte man die alte Argumentation auspacken, dass ein Waffenhändler (Cola) Waffen (Geld, Macht und Einfluss) verkauft, die Waffen (Familienunternehmer, Oberschicht Kolumbiens) aber von anderen benutzt werden (um die Unterschicht in Schach zu halten). Am besten verdiene ja stets der Waffenhändler, denn Krieg ist übrall (Cola wird immer und überall weltweit irgendwo produziert und getrunken).
Oder anders vielleicht: Leiter der Betriebsstätte vor Ort ruft den Cola CEO an und fragt „können wir endlich mal die Lohnkosten auf unsere Weise senken?“.. Cola CEO: „Na, klar mach, ruf Juan an, der ist Chef der Lokalmiliz vor Ort …“. Wie sich jeder denken kann, ist das abstrus. Nein, ausgeschlossen ist das prinzipiell nicht, wie zB die unrühmliche Geschichte der Krupps in der Nazizeit gezeigt hat, wie weit Unternehmer aus Gier bereit sind, Menschen über die Klinge springen zu lassen, um an billigste Arbeitskräfte zu kommen und dabei alle ethischen Bedenken über Bord schmeissen. Ebenso sind genügend Stories aus der Neuzeit bekannt, dass Unternehmen illegal agieren, um ihre Ziele durchzusetzen. Eine bekanntere Story ist der Zigarettenschmuggel von Bulgarien in die Türkei. Damals, als in der Türkei nur eine staatliche Zigarettenmarke das Monopol hatte. Durch den Schmuggel wurde zunächst die Marke bekannt gemacht, der Verbraucher auf den Geschmack gebracht. Später hat man mit Hilfe der US-Regierung das Monopol aufgebrochen und zum Schein Projekte subventioniert (leerstehende Fabriken…).
Unternehmen mit ihren wirtschaftlichen getriebenen Handlungen sind stets Bestandteil der gesamtheitlich zu betrachenden Strukturen eines Landes. Ich bezweifle aber sehr stark, dass sie der Lösungsfaktor sein können, Strukturen zu verändern. Sie können sich lediglich – und das ist schon mal immerhin ein Weg – globale Standards vorgeben und diese dann mit den lokalen Gegegebenheiten zu arrangieren versuchen. Es ist die Aufgabe der gesellschaftlichen Kräfte des Landes, ihren Weg zu suchen. So wie Südafrika unabhängig von Daimler einen neuen Weg eingeschlagen hat. Insofern muss sich wohl Coca Cola in der Tat fragen, ob und wie sie in den Abfüllbetrieben vor Ort ihre globalen Standards aktiver durchzusetzen versuchen. Das dürfte aber nicht so easy sein. Denn egal was man tut, läuft man Gefahr, dass einem entweder der Kopf von den Paramilitärs abgeschossen wird (ihr seid zu sozial-links) oder aber die ENC/FARC stattet dem Cola-Manager vor Ort einen Familienbesuch ab. Ob dieser Probleme und dem geschickten Schachzug der Gewerkschaft Sinaltranail, das kolumbianische Gemenge aus Gewalt und politisch durchdrungenen Zielen in das Heimatland von Coca Cola zu tragen, beneide ich niemanden. Weder die Cola Manager, die Gewerkschaft, die US-Regierung, die kolumbianische Justiz.
Letztlich aber zählt eines: Wie weit ist man bereit, als Unternehmen seinen Beitrag zu leisten, langsam und stetig seinen gesellschaftlichen Teil zu leisten, ohne sich zu sehr in die Belange eines Landes einzumischen? Das müssen sich alle global agierenden Unternehmen fragen. Egal in welchem Land der Erde sie wirtschaftlich ihre Eisen im Feuer haben.
Btw, ich trinke nach wie vor Coca Cola supergern, betrachte die Cola WG als misslungenes Marketing-Projekt und würde gerne den Konsumenten sehen, der sich in seiner imaginären Rolle als Cola Manager besser machen würde („ich trinke keine Coca Cola weil“ Coca Cola böse ist…na, damit kann ich mich nicht anfreunden, das ist mir zu kindisch-naiv).
Die obigen Infos bzgl. der Firmenverflechtungen beruhen auf einem Dossier „Stoppt den Terror der Multis“ (.pdf). Die gesamte inhaltliche Ausrichtung dieses Dossiers ist mir aber zu platt und vereinfacht.