Sonstiges

Blogs und Wachstum

Mal eine Hypothese aufgestellt: Blogs mit sehr hohem Traffic sind nicht erstrebenswert. Warum?

Kleine, gemütliche Blogs können sich zu wunderbaren Dialogplätzchen entwickeln, auf denen man richtig angenehme Gespräche in kleinen Runden pflegen kann. Da kann sich eine tolle Atmosphäre entwickeln, die das Blog zu etwas besonderen für die Besucher macht. Und wenn man gar keine Kommentare hat? Ich selbst würde mein Blog sofort dichtmachen, wenn keiner mitkommentiert. Weiss nicht, wie das bei Euch ist.

Doch dieser kommunikative Aspekt kann später zu einer Knochenarbeit werden, wenn die Kommentare immens zunehmen. Das passiert inbesondere bei Topblogs wie zB BildBlog oder Spreeblick. BildBlog hat die Kommentare schon lange ausgeschaltet, Spreeblick hat sie noch an.

Zu Beginn eines Blogs kann man auf jeden Kommentar persönlich eingehen. Das daraus entstehende Beziehungsgeflecht wird sehr engmaschig. Man kennt sich, man schätzt sich, man feindet sich gepflegt an, all das macht irgendwie ne besondere Mischung aus. Doch dann passiert es: Auf einmal kommen nicht mehr 10 Kommentare rein, irgendwann sind es 100, 1000, mehr sogar. Es ist schlichtweg nahezu unmöglich, auf jeden einzelnen Kommentator einzugehen. Das persönlich finde ich, ist eine Krux. Denn die Leute unterhalten sich natürlich auch mit Dir, nicht immer nur untereinander. Umso größer wird der Abstand zu den Lesern. Denn stellt Euch vor, Ihr würdet im Real Life jemanden nicht antworten, der etwas zu Euch sagt, das ist schlichtweg unhöflich. Man entwickelt sich immer mehr zu einer klassischen Top-Down Seite ohne dialogischen Elemente. Wie noch die Balance zwischen besonderer Nähe zu den Kommentiereden und der rasant wachsenden Kommentartaktzahl halten (und dem daraus resultierenden Zeitaufwand, der über ein Hobby hinausgeht)? Ich behaupte, daß man schon ab ca. 50 Kommentaren am Tag nicht mehr richtig mitkommt, wenn man das nicht zu einem Fulltime Job macht.

Was tun? Das Modell Slashdot.org zeigt Lösungswege, seit jeher: Das Forum kann die Konzentration vom Autor hin zum Dialog untereinander lenken. Das Thema steht im Fokus, nicht mehr der Autor+Thema. dazu gehört aber der Wechsel der Kommentartechnik hin zu einer Forentechnik. Konsequenz: Man wird damit mehr zu einem „Themenlieferant“ als persönlichen Small-Talk Ansprechpartner. Eine andere Frage stellt sich dann, wie man das Forum so moderiert, daß es nicht aus dem Ruder läuft (wie die große Trashtalk-Müllhalde Heise-Foren). Der andere Lösungsweg ist, komplett auf Kommentare zu verzichten und unter jeden Artikel „Technorati-Links“ zu setzen. So denn genügend incoming Links pro Artikel da sind.

Sprich: Mit zunehmender Leserschaft wächst der Zeitaufwand, weiterhin adäquat das Gespräch untereinander zu pflegen. Man verliert Nähe, man gewinnt aber an Themenkompetenz, auch dank Google nicht nur per Word-to-Mouth. Beides zusammen aber? Nähe und Themenkompetenz? Man kann tatsächlich seiner Stimme weiterhin einen persönlichen Ton verleihen, auch wenn man wegen den Leserscharen nicht mehr direkt kommunizieren kann. So wie es Firmen zwingenderweise tun müssen. Siehe hierzu The Art of Branding (von Guy Kawasaki, dem aufgehenden Stern im Bloggerhimmel): 7. Strive for humanness. Great brands achieve a high level of humaness. They speak to you as an individual, not as part of a market. It’s „€œmy iPod.“€? „€œMy Macintosh.“€? „€œMy Harley Davidson.“€? „€œMy bottle of Coke.“€? By contrast, you’d never think, „€œMy Windows XP,“€? or „€œMy Microsoft Office,“€? so I wouldn’t label Microsoft as a great brand although, obviously, it is a great financial success. Ideally, you’d achieve both. (quelle: vowe)

Jeder, der sich ausmalt, wie toll es wäre, ein Blog mit hundertausenden von Lesern zu haben, muss sich fragen, ob er die Konsequenzen auch tragen möchte. Es sei denn, man ist lediglich scharf auf die Kohle, die man natürlich mit wachsender Leserschar verdienen kann (Degradierung des Lesers zur Geldmaschine?).

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

16 Kommentare

  • Tja… auch ich träume mit meinen im Schnitt 30 Besuchern pro Tag und 3 Kommentaren pro Artikel von mehr… mehr Feedback, mehr Besuchern, mehr Diskussionen. Wer will das nicht? 🙂
    Aber natürlich hast recht. Je mehr aktive Leser, desto mehr Aufwand… und wenn man nicht mehr auf jeden Kommentar eingehen kann und kaum noch zum Artikelschreiben kommt kanns ganz schnell gehen und man hat wieder weniger Besucher… ein Teufelskreis. 😉

  • 3 Kommentare pro Artikel? Traumhaft. Ich bin eher bei alle 3 Artikel mal ein Kommentar… 🙂

    Wobei natürlich auch wenige Kommentare schon sehr schön sind. Ich weiß noch, wie irgendwann der erste Kommentar bei mir eintrudelte… *flash* ^_^

  • Nun gut, aber dies trifft auf fast alle Unternehmungen mit entsprechenden Wachstum zu. Sei es Webhoster, die auf Grund des Wachstums nicht mehr in der Lage sind sämtliche Kunden persönlich zu betreuen oder auch Sporthersteller, die Absatzschwierigkeiten besitzen, da diese einfach nicht mehr am Trend der Zeit sind. Es fehlt der Austausch und die Größte ist dort immer ein Hinterniss.

  • Bin gerade nicht am Basteln. Aber der SQL-Fehler kommt ab und zu… hab noch nicht rausgefunden warum. Ist aber meist nur ein paar Sekunden.

  • @SODL, hatte die Fehlermeldung kopiert nur dann aus Versehen was anderes in den Zwischenspeicher gezogen.. sorry, sonst hätte ich Dir die Meldung zusenden können. Nächstes mal…

    @Thomas: Nur dass eben Hobbyblogger keine Firmen sind, die ihre Tätigkeit zum Hauptjob machen wollen. Das ist ja auch genau das Thema: Man würde gerne mehr von allem, vergisst aber, was das alles nach sich zieht 🙂

  • Ich finde es ja sehr charmant, dass unter einem Text, in dem es um die Balance zwischen persönlichem Austausch und Wachstum geht, gleich eine private Diskussion um SQL-Fehler stattfindet. Dann ist ja noch genug Zeit vorhanden …

    Nein, im Ernst: Du hast durchaus recht. Das ist ja im Prinzip nicht anders als bei einer Band, die plötzlich Erfolg hat: Erst begrüßt man noch jeden Zuschauer mit Handschlag, und auf einmal stehen da Leute im Publikum, die man nie vorher gesehen hat, vielleicht auch gar nicht haben möchte und die einen anmaulen, wenn man kein Autogramm gibt. Dazu kommt ja auch noch die rechtliche Problematik, siehe Kommentare bei Heise.

    Man muß sich halt entscheiden, was man machen will mit seinem Blog: Wenn es ein persönlicher Notizblock ist, dann halt man halt auch mal keine Zeit, da was reinzuschreiben, und wenn jemand darüber sauer ist, who cares? Notfalls klärt man das bei einem Bier. Finde es auch nicht unhöflich, wenn man dann hinschreibt: Keine Zeit, oder keine Lust. Man ist ja kein öffentliches Eigentum, nur weil man ein paar Dinge ins Netz stellt.

  • SQL Probleme gehen immr vor 🙂

    Das mit der Verpflichtung bzw. dem Gefühl dahinter hat schon was. Je nach Persönlichkeit kann das bei dem einem oder anderen stärker als Zwang empfunden werden. So wie manche Blogger manchmal selbst zugeben, in eine Art von Postingzwang zu kommen, nur um die Leser mit Neuigkeiten zu füttern. Hatte das zum ersten Mal vor drei Jahren bei einem IT Blogger gelesen. Man kann halt nicht immer höher, weiter, schneller, irgendwann ist Sense. Hatte mich nachdenklich gestimmt und bei mir dazu beim beim ersten Blog dazu geführt mich bei meinen Themen, Postingfrequent und Kommentaren weniger von den Lesern als aus meiner Lust und Laune leiten zu lassen. Analoges Thema zum Kommentieren.

  • Ich weiss nicht — irgendwie hab ich in meinem Reader lauter Blogs, die so hart an der Grenze rumtrudeln. Am besten (oder am schlechtesten, je nachdem) finde ich immer noch die Kommentartechnik von Robert Nyman — er geht auf jeden Kommentator persönlich ein, egal, wie kurz oder irrelevant der Kommentar auch war. Solange man sich sowas leisten kann, ist es fein.

    3 Kommentare pro Artikel? Traumhaft. Ich bin eher bei alle 3 Artikel mal ein Kommentar… 🙂

    Ich gehöre ja auch eher in diese Kategorie. 😉

  • Es ist eine sache der Gewöhnung. Am Anfang fand ich 10 Kommentare am tag schon viel, das kommt inzwischen schon mal in weniger als 20 Minuten zusammen. Momentan sind es so zwischen 50 und 120 am Tag, das geht auch. Noch. Weil sich die Leute auch untereinander unterhalten, und auch Kommentatoren eine gewisse Gruppenleiterfunktion haben. Gewissermassen Subunternehmer sind.

    Ich könnte mir vorstellen, dass Profiblogs irgendwann auch Profikommentatoren einstellen, die dann das „Lesermanagement“ machen. Aus Businessdeutsch gesagt.

  • Kommentar oder Diskussion?

    Wenn ich einen Kommentar abgebe, dann zu den Thema und nach Möglichkeit auf den Autor bezogen. Wenn ich das Gefühl habe der Autor liest seine Kommentare nicht mehr, geht bei mir auch die Lust einen Kommentar abzugeben stark zurück.
    Wenn ein Autor die Kommentarfunktion offen lässt nur um als Blogger durchzugehen, dann wirds richtig schrubbelig.

    Andereseits habe ich auch wenig Lust in den Kommentaren zu diskutieren. Klar entsteht auch immer mal wieder eine kleinere/größere Diskussion. Aber zum diskutieren sind die meisten Blogsysteme nicht gedacht/geeignet. Wenn in Kommentar Nr. 357 auf den Kommentar Nr. 3 eingegangen wird, dann wird es für den Leser schon verdammt schwierig die Diskussion zu verfolgen. Grade wenn in sehr kurzer Zeit sehr viele Kommentare rein kommen geht da schon mal was schief.
    Auf Spreeblick zB wäre ein Forum mit Sicherheit sehr sinnvoll. Dort gibt es gute Diskussionen und die meisten Kommentatoren bleiben verbal im erträglichen Rahmen. Auf Bildblog wäre ein Forum fehl am Platz. Es würde wahrscheinlich in ein zweites Heise ausarten.
    Das ist auch ein weiterer Aspekt den man sich als Blogger überlegen sollte. Man ist ja für seine Kommentare irgendwie mitverantwortlich und will das Niveau nicht zu sehr absacken lassen.

    Ich denke es gibt auch noch einen Mittelweg. Zusätzlich zu den Kommentaren noch ein Forum einrichten. Wenn die Diskussion zu heiß wird, kann man sie dorthin auslagern. So ist der Blogger dann nicht reiner Themenlieferant, das persönliche ist gewahrt. Trotzdem bietet man den Besucher auch einen Raum um über das Thema zu diskutieren.
    Über die Blogs hinweg, zB per Trackback, ist die Diskussion leider oft auch nicht immer sehr einfach.