habe das Interview auf Bloogle mit Thomas Knüwer (Handelsblatt Mitarbeiter, sein Blog nennt sich dort Indiskretion Ehrensache) vor einiger Zeit gelesen. Was mir damals auffiel, war der Part mit den mangelnden Blogs:
Auch Unternehmen und PR-Agenturen springen auf das Thema Weblogs an. Ist das der Beginn des großen Dialogs?
Bloggende Unternehmen sind in der Regel von Unternehmensberatern fehlgeleitete, arme Seelen. Außer dem Blog von Frosta gibt es kein gelungenes Beispiel in Deutschland für ein Firmen-Weblog. Niemand muss dieses Instrument nutzen, man kann auch ohne prima leben. Wenn es Manager gibt, die mit Herzblut Lust darauf haben – herzlich willkommen! Aber dafür ist ein Maß an Offenheit nötig, dass sich nur schwer mit dem Wirtschaftsalltag vereinbaren lässt. Nur eine Ausnahme erkenne ich: Weblogs lassen sich exzellent und mit geringem technischen Aufwand für die Krisen-PR nutzen. Sie sind leichter handhabbar als die bisher aufgestellten Black Sites.
„Außer dem Blog von Frosta gibt es kein gelungenes Beispiel in Deutschland für ein Firmen-Weblog.„? Öhm… es ist mir neu, daß es nur ein gelungenes Beispiel geben soll (ist ja dabei fast schon tröstlich, daß Handelsblatt selbst so einem Unternehmensberater aufgesessen sein muss, wo doch deren Blogs so wahnsinnig spannend sind), wenn ich an die vielen Udo Vetters und Konsorten denke, die allesamt in ihrem Bereich überaus gute Blogs betreiben. Seit wann können Firmen-Weblogs per definitione immer nur von bekannten Unternehmen der Größenklasse >50 Mio Umsatz betrieben werden und alle anderen haben dann was für Blogs? Ist das Blog einer 10-Mann Firma dann ein privates Blog? Während Knüwer in seiner eigenen Schreibwelt lebt, bewegt sich die Firmen-Blogwelt schon längst. Es sei ihm aber letztlich verziehen, wie sollte er es auch besser wissen (obwohl er ja schon lange versucht, sich Praxiswissen zu erschreiben)?
Das Blog einer 10-Mann-Firma ist kein privates Blog. Aber bei 10 Mann hast du, um mal Headhunter-Deutsch zu sprechen, flache Hierarchien, in denen derjenige, der bloggt (wenn’s nicht sowieso der Chef ist), seinen Kopf schnell und einfach für sein Geschreibsel hinhalten kann.
Bei Organisationsgrößen, die über den selbstständigen Rechtsanwalt, den Einzelhandelskaufmann, der Chef auf seiner eigenen Scholle ist, und den klassischen inhabergeführten Kleinbetrieb hinausgehen, wird es sehr schnell schon rein organisatorisch schwierig mit dem Bloggen, weil ein Unternehmen (übrigens mit berechtigtem Interesse) gerne mit einer einheitlichen Stimme nach draußen kommuniziert.
Und dann stellt sich nicht erst ab Konzerngröße die Frage, wer da was nach draußen verlautbaren darf. (Der Abteilungsleiter Schrauben sieht die Welt als Gewinde. Der Abteilungsleiter Nägel meint, es kommt vor allem auf den Hammer an. Und der Sachbearbeiter Muttern hat sowieso eine ganz andere Theorie.)
Wer hält zum Beispiel den Kopf hin, wenn einer von ihnen fälschlich in einem Blogeintrag behauptet, ein bekannter Bio-Wundertrank werde mit Aroma aus Sägespänen hergestellt? Frosta hat das Problem ja ganz gut in den Griff bekommen. Spricht für deren Unternehmens- und Kommunikationskultur. Aber nicht alle sind so weit. Und deshalb würde ich keinem Unternehmen, ob mit 10 oder 10.000 Mitarbeitern unbedingt zum Bloggen raten wollen.
PS. Praxiswissen erschreiben hört sich IMHO herablassend an. Der Mann bekommt jeden Tag das ganze Potpurri deutscher PR-Gaus auf seinen Schreibtisch gekippt. Ich glaube, sehr viele PR-Leute könnten aus seinem Blog einiges lernen…
die Problematik des „wer hält den Kopf hin“ bei Großunternehmen habe ich just in einem anderen Beitrag heute beschrieben, passt gut gerade 😉
Nur sehe ich dennoch keinen Anlass, die vielen bereits existierenden Firmenblogs außen vor zu lassen, weil es denen aufgrund der Orgastrukturen leichter fällt, ein Blog aufzusetzen. Wenn Knüwer der Meinung ist, daß die vielen KMU Blogs mangels Firmengröße nicht dazuzählen, hat er keinen blassen Schimmer von der Unternehmenslandschaft.
Am Rande, da das hier kein essentieller Punkt ist: Was seine Schreibe zu den PR Agenturen angeht, zeigt mir, daß der Mann sich genauso verhält, wie ätzende Kunden, die den IT Support nerven und meinen, der Fehler könne nie vor dem PC sitzen.
Robert, schau dir einige der PR-Coups, die er in der „Kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt“ aufgespießt hat, genauer an, und du wirst feststellen, dass das Problem in den meisten Fällen (so jedenfalls mein Eindruck) tatsächlich auf der anderen Seite des Schreibtisches saß. In Gestalt von PR-Leuten, die sich mit ihren nach Schema F gestrickten Hurrameldungen wieder mal um Kopf und Kragen gefaselt haben…
das ist sicher völlig richtig in der Praxis, wenn man eine Normalverteilung der PR-Agenturen und Presseleute annimmt, muss es wohl so sein, daß der Fehler vor und hinter dem PC sitzt.
Wenn ein Anwalt ein Blog schreibt, ist dies natürlich nur bedingt ein Unternehmens-Weblog. Ebenso wenn ein freier Journalist wie Mario Sixtus blogg.
Das Frosta-Blog halte ich für absolut gelungen. Selbst so merkwürdige Ideen wie das Einscannen aller erhaltenen Weihnachtskarten wird durchgezogen. Das ist so authentisch, wie es ein Firmenblog bei einem Unternehmen dieser Größe sein kann.
Frosta macht das mE auch ganz gut, gibt natürlich viele gegensätzliche Meinungen zu Frosta.
Wo machst Du typischerweise bei Unternehmens-Weblogs den Cut (ja, nein, ist eins, ist keins)? Richtest Du Dich nach der Größe – so scheint es mir, was zwar akadamische Auswirkungen hat, aber letztlich falsch ist – oder nach anderen Merkmalen? Betrachtet man Unternehmensblogs wie Microsoft, so kann ich nicht feststellen, daß die Problematik der Authentizität mit zunehmener Unternehmensgröße steigt. Es ist liegt mE stets daran, wie die Unternehmenskultur ausschaut. Wie leicht oder schwer ein Blogeinsatz fällt.