Im Interview mit Loic (bekannt als European Head of SixApart) wurde ihm die Frage gestellt, warum Deutschland mit 40 Mio Internetnutzern zwar das größte europäischen Internetland ist, jedoch die Blogosphere mit ~100.000 Blogs so stark gegenüber den anderen „Groß“-Ländern in Europa zurückfällt. Seine Antworten zu Deutschland habe ich aus dem Interview herausgepickt:
Germany remains very dead. This is surprising because with 80 million people, it’s Europe’s largest country and usually pretty advanced in technology.
Germans probably lag for cultural reasons. They are not inclined to share what’s on their mind the way the French and Americans or even the Spanish and Italians. Growth remains slow in Germany. But the corporations, like BMW, are aware and they are watching what’s going on very carefully. Total blogs in Germany—consumer, business, public & private is about 100,000, with maybe 50-100 of them business blogs, mostly by consulting firms—people who have to get it. For the time being, bloggers are viewed as weird people by the rest of business. In France, we already have published at least five blogging books. In Germany, nothing to my knowledge. EBay in Germany is huge, which indicates Germans trust technology, but not blogs, not yet. It seems it is not very natural for them. They don’t expose their ideas in public. Germans have a passion for privacy, particularly in business.
Was auch immer die Gründe sein müssen, Loic selbst hat ja auch nur einen subjektiven Eindruck, so liegt es mE daran, wann der berühmte Tipping Point erreicht wird, von dem an immer mehr Menschen in der spürbaren Breite beginnen, eine technologische Lösung für sich zu nutzen. Selbst bei einem Standardthema wie E-Mailing hat es recht lange gedauert, bis man auf den Visitenkarten seine Mailadresse abgedruckt hat. Bis zahlreiche Private E-Maill Accounts erstellten. Dieser Prozess hat sich sicherlich 10 Jahre gezogen, um von einer etablierten Lösung zu sprechen. Ähnliches spielt sich momentan bei der Internetgruppe der >50 Jährigen ab. Die Zuwachszahlen sind immens hoch, obwohl diese Gruppe zZt die geringste Nutzungsquote aufweist. Woran liegt es? Es dauert eben seine Zeit, bis diese Gruppe informativ über alle möglichen Kanäle das Internet per se wahrnimmt und immer besser für sich einordnen kann. Diese Gruppe ist ein Leben lang mehr oder minder ohne das Netz aufgewachsen und hatte insofern auch nie etwas vermissen müssen. Wenn man so will, hat es 15 Jahre gedauert, bis das grafisch orientierte WWW verstärkt Einzug in dieser Altersgruppe hält. Je mehr Nutzer in dieser Gruppe ihre nützlichen Anwendungen finden, werden sie sich mit der Zeit mit gleichaltrigen Freunden und Bekannten austauschen, die damit auch darauf aufmerksam werden. Das setzt natürlich voraus, daß die Technik sich auch dieser Gruppe anpasst. Ich kann mir zB beim besten Willen nicht vorstellen, daß die Nutzergruppe gerne auf Flashseiten mit Winz-Schrift surfed, was schlichtweg für die eine Zumutung darstellt.
Es spricht sich herum, und das hängt rein davon ab, wie sehr Medien dieses Thema aufgreifen und wie Internetnutzer andere Nutzer beeinflussen. Kleines Mikrobeispiel: Ich beobachte letzte Zeit eine Zunahme von Spieleblogs. Bisher haben sog. Gildenseiten PHP Nuke und ähnliche Community Techniken genutzt, die mehr oder minder vereinfacht gesagt aus drei Elementen bestehen: News, Foren und Terminen. Man nutzte einen Hammer, um ein einfaches Problem zu lösen: Wie kommuniziere ich mit welchen Maßnahmen in einer in sich geschlossenen Gruppe? Jedoch ist die Inbetriebnahme einer solchen Webseite nicht ganz ohne, zumal die vielen Funktionsmodule zu einer Zerfaserung der Informationen führen. Überall kann man was machen und je kleiner die Gruppe ist desto geringer der Nutzen eines solchen Moduls für den einzelnen Nutzer. Mit Blogs hat man ratzfatz ein supereinfaches System erstellt, jeder kann reinschmeissen was er will und es ist alles an einer Stelle auffindbar. Die Simplizität der Lösung wird sich mE herumsprechen. Und damit zu einer Zunahme von Blogs in diesem Segment führen, vaD bei einer Nutzergruppe, die äußerst internetaffin und kommunikativ sind. Es spricht sich herum, an vielen kleinen Stellen. Ebenso beobachte ich das im Kleinunternehmer Bereich, wo immer mehr Selbstständige wiederholt auf Blogs stoßen und man unterhält sich untereinander, man wägt die Verwendungsmöglichkeiten ab, bis hin zu dem Punkt, ab dem man selbst ins kalte Wasser springt. Das dauert natürlich und es ist insofern auch überhaupt nicht verwunderlich, daß es insgesamt europaweit im Vergleich zu der Gesamtzahl der Blogs schrecklich wenig Corporate Blogs gibt. Das ist zugleich ein Vorteil für diejenigen, die antizipieren und in der nächsten Zeit ein Blog starten. Und dahingegen die Konkurrenz noch im tiefsten Winterschlaf vor sich hinschlummert.
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Letztlich, da wir Menschen nicht aus der grauen Theorie lernen, sondern aus der Praxis mehr oder minder im Trial Error Verfahren, ist es klar, daß gerade Corporate Blogs noch nicht genügend Futter bieten, wie man etwas auf Basis von Blogs erfolgreich umsetzen kann. Das ist nix eigenes von Blogs, sondern man trifft auf diesen Umstand in allen Bereichen des Lebens. Mit Zunahme von guten und schlechten Anwendungsbeispielen wird es zu Imitiationseffekten kommen, da mE der Großteil der Selbstständigen imitiert und nicht innoviert. Das hängt nicht nur unbedingt mit der Spürnase und einem Schuß Kreativität zusammen, sondern schlichtweg mit der kalkulatorischen Bereitschaft, neue Wege zu gehen, die zunächst nur Risiken und einen unbekannten ROI versprechen. Man nehme das Beispiel von LaFraise, dessen Inhaber einen höchst ungewöhnliches Anwendungsmodell umgesetzt hat. Zur Wiederholung: Er empfindet sich als Blogger mit einem aufgesetzten T-Shirt Shop. In diesem Rahmen kommuniziert, entscheidet und designed er sein Geschäft zusammen mit den Lesern. Bis hin zur Veröffentlichung von Geschäftszahlen. Das ist und bleibt in D wohl für lange Zeit ein höchst ungewöhnlicher Ansatz, eigentlich undenkbar. Utopie. Jedoch: Er ist einen neuen Weg gegangen im Vergleich zur nationalen Konkurrenz – soweit ich das abschätzen kann aus den Kommentaren im Internet -, der aber vom Gesamtbild her ein rundes Ganzes ergibt, in sich stimmig ist und den Trend der Zeit ziemlich gut getroffen hat. Würde man dieses Modell einem Investor in D vorstellen, würde der sofort eine Einweisung in eine Klinik veranlassen 🙂 Fazit: Neue Wege zu gehen, ist immer schwer und ungewiß. Daher gibt es so wenige Corporate Blogs. Und es wird ein langer Weg.