Kann es sein, dass eins der derzeit interessantesten Startups weltweit aus der kleinen Bundesstadt Bonn kommt, fernab aller Silicon Valleys, Alleys und Villages? Doo versucht genau das. Da die beschauliche Stadt am Rhein seit gut zehn Jahren meine Heimat ist, besuchte ich die junge Firma im Dezember in ihrem ersten Büro in Bad Godesberg und hielt danach den Kontakt. Eigentlich sollte es mit der Mac-Version des Dokumentenmanagers bereits im Februar losgehen. Nun ist Mitte Mai und die Software ist immer noch nicht veröffentlicht.
Wer Mitgründer Frank Thelen einmal kennengelernt hat, der kennt aber auch gleich die Gründe dafür. Bei Thelen ist nichts mit halbherzig. „Doo ist mein Toys’R’Us“, erklärt er. Täglich fielen ihm neue Funktionen ein, die er gerne gleich in die Software einbauen würde. „Ich bin erst zufrieden, wenn auch meine Mutter Doo bedienen kann und auf den ersten Blick davon begeistert ist.“ Weil Thelen und Mitgründer Marc Sieberger außerdem eine Multiplattformstrategie mit nativen Desktop-Clients für Mac und Windows für unabdingbar halten, verzögert sich der geplante Start von Februar auf einen noch nicht näher bestimmten Termin im Sommer. Vergangene Woche luden Sieberger und Thelen mich dazu ein, vorab einen Blick auf die aktuelle Beta und das neue Hauptquartier zu werfen. Kurz gesagt: Es dürfte sich lohnen, noch eine Weile darauf zu warten.
Konkurrenz ist früher dran
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Aktueller Stand der Software: eine sehr schöne Oberfläche mit noch einigen kleineren Fehlerchen. Deswegen ist die Beta noch nicht freigegeben. Ein paar Wochen wird es bis zum Start schon noch dauern. Wann genau Doo in der stabilen Version veröffentlicht wird, steht noch nicht fest. Man arbeitet derzeit vor allem an Versionen für den Mac, Windows 7, Windows 8, iOS und Android. Das kostet Zeit, und für Doo ist das nicht ganz ungefährlich. Denn in der sehr jungen Branche herrscht ein reger Konkurrenzkampf: Auf der NEXT in Berlin etwa präsentierte sich Smarchive, eine App, um Rechnungen einzuscannen, zu importieren und per OCR zu analysieren. Der Startschuss für die iPhone-App soll in Kürze erfolgen. Auch Reposito, Doctape, Fileee und Dropscan verfolgen eine eigene Strategie der Papierarchivierung oder gleich dessen Vermeidung. Auch Doo gehört dazu. Hier geht es nach dem Import der Dokumente aber im Grunde erst richtig los.
Doo kann verschiedene Dokumenttypen erkennen und sortieren. Inhalte werden analysiert und strukturiert, Schlagworte automatisch angelegt. So lassen sich importierte Dokumente nach Tags, Datum oder dem Dokumenttypen durchsuchen. Ferner will Doo Dokumente editierbar machen, so dass man Rechnungen etwa mit einem „Bezahlt“-Stempel, Unterschriften oder Randnotizen versehen kann. Eine Gruppen-Funktion mit Team-Archiv ist in Planung. Doctape aus Hannover bietet ähnliche Features, legt dabei den Fokus auf sein Web-Interface. Doo setzt derweil auf native Clients, die am ehesten an eine Mischung aus Mailprogramm und Datei-Manager erinnern.
Und doch verfolgen viele der Konkurrenten die gleichen Ziele. So soll die OTR-Software etwa jeweils nicht nur Absender und Rechnungssumme eines Dokuments erkennen können, sondern auch das Zahlungsziel überprüfen und darauf hinweisen, wann eine Rechnung überfällig ist. Es ist das erklärte Ziel von Thelen und den anderen Startups, das Papier auf absehbare Zeit überflüssig zu machen. In Form eines Experiments versucht der Kölner Mark Kreuzer gerade, drei Monate lang ohne Papier auszukommen. In ein bis zwei Jahren dürfte er es damit wesentlich leichter haben. Schon jetzt aber können Rechnungen von vielen Dienstleistern wie Internetprovidern einfach importiert werden. Auch an einer Integration der DE-Mail wird bereits gearbeitet.
Software erkennt, was eine Rechnung oder ein Gesetzestext ist
„Dokumente befinden sich heute meist in E-Mail-Anhängen oder kaum findbar in irgendwelchen Verzeichnissen“, berichtet Thelen aus eigenen leidvollen Erfahrungen. „Doo räumt mit dem Chaos auf.“ Ein Herzstück der Software soll die Zeitleiste werden. Per Klick kann man dann einfach nachschauen, welches Dokument man etwa im März 2006 angelegt oder erhalten hat. Was mir im Test ebenfalls gut gefiel: Doo kann den Dokumententypen automatisch erkennen. Ist es etwa ein Kassenbon, ein AGB-Text oder eine Rechnung? Um das genau unterscheiden zu können, wird die Software derzeit „geschult“. Einige 400-Euro-Kräfte sind im Dachgeschoss des Doo-Hauptquartiers damit beschäftigt, abertausende Vorlagen einzuscannen, damit die Software die verschiedenen Dokumententypen unterscheiden kann. Das sei für den Anfang noch notwendig, erklärt mir Thelen. Später werde die Software durch die Dokumente jedes Einzelnen lernen. Durch anonymisierte Daten.
Doo bietet die Möglichkeit, Dateien in der Cloud zu speichern. Man setzt hier auf eine Lösung von Amazon mit einer Serverfarm in Irland, die auf europäische Datenschutzstandards setze. Die Cloud-Lösung gleicht Daten von verschiedenen Doo-Clients automatisch ab. „Wer will, kann die Daten aber auch rein Client-seitig bei sich speichern“, erklärt mir Sieberger. „Die Cloud ist ein Extra, kein Muss.“
„Werden die Nutzer einen Aha-Effekt erleben?“
Was die Software angeht, bittet mich Thelen, keine eigenen Screenshots zu veröffentlichen. Offizieller Grund ist, dass man ungern etwas zeige, das noch nicht fertig ist. Inoffiziell dürfte auch der durchaus harte Konkurrenzkampf eine Rolle spielen. Was die Firma angeht, scheint Transparenz oberstes Gebot zu sein. Thelen stellt mir jeden Mitarbeiter persönlich vor, erlaubt mir, jeden Winkel jedes Büros zu fotografieren, selbst Tafeln, auf denen kryptische Formeln stehen. Ein Mitarbeiter scherzt: „Fotografier ruhig, das wird ohnehin niemand außer uns verstehen.“ – „Raketenwissenschaft“ ergänzt Thelen und grinst. Mehr als 30 Mitarbeiter beschäftigen die Bonner inzwischen, und bis Ende des Jahres sollen es 80 sein. Als ich einem Entwickler vorgestellt werde, begrüßt der mich mit Handschlag und wünscht mich willkommen an Bord. Er hat mich fälschlicherweise für einen neuen Kollegen gehalten. Jede Woche wird das Team um mindestens einen neuen Mitarbeiter vergrößert. Vor allem Entwickler sucht das Startup zur Zeit.
Das bereits gestartete Doctape und auch das teils über Crowdfunding finanzierte Smarchive werden früher dran sein als Doo. Thelen und Sieberger klingen unbeirrt, dass Doo trotzdem ein Erfolg wird. Dennoch fragen sie unverblümt nach meiner Meinung: Werden die Leute die Software benutzen wollen, halte ich sie für selbsterklärend und dürften die Nutzer einen „Aha-Effekt“ erleben, wenn sie das Programm das erste Mal starten? Ich bejahe – wohl wissend, dass ich es nicht müsste. Woran die Jungs da arbeiten, gefällt mir. Wenn Doo im Sommer an den Start geht, werden die Nutzer ein nahezu perfektes Dokumentenmanagement präsentiert bekommen. Das ist keine Lobhudelei, das dürfte eine Tatsache sein. Thelen wird die Software nicht eher veröffentlichen, bis sie ihm rundum gefällt. Als ich ihm und Sieberger rate, mit dem Start nicht mehr all zu lange zu warten, und ihnen halb im Scherze Perfektionismus vorwerfe, lachen sie. Ein größeres Kompliment hätte ich ihnen kaum aussprechen können.
(Jürgen Vielmeier)