Ich glaube, ich war ungefähr 10 Jahre alt, als ich im TV fasziniert die Werbung eines Süßwarenherstellers verfolgte, bei der kleine Schokoladen-Chips aus ihrer sechseckigen Verpackung schwebten. Umso größer war die Enttäuschung, dass sich dies zuhause so gar nicht wiederholen ließ. Die Dinger bewegten sich keinen Millimeter nach oben. Aber ich hatte meine Lektion gelernt: Werbung entspricht nicht unbedingt der Realität.
Frank Fazio war ein solches Erlebnis in seiner Kindheit offenbar nicht vergönnt. Erst vor kurzem musste der New Yorker die Erfahrung machen, dass man nicht jedes Werbeversprechen unbedingt für bare Münze nehmen sollte. Zuvor hatte sich Fazio im November letzten Jahres ein iPhone 4S geleistet, nach eigener Aussage vor allem wegen der von Apple vollmundig angepriesenen intelligenten Sprachassistentin Siri.
In der Praxis erwies sich die liebliche Apfelkönigin allerdings als eher unterdurchschnittlich begabt, woraufhin sich der erst so stolze iPhone-Besitzer ziemlich ärgerte. Nie verstand sie, was er wollte, oder sie gab die falschen Antworten. „Siri ist eine Idiotin“, schimpfte er immer wieder laut vor sich hin.
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Hierzulande wäre die Geschichte an dieser Stelle vermutlich beendet gewesen. Nicht so in den USA. Dort beginnt sie nun erst, denn Fazio platzte irgendwann der Kragen. Er nahm sich ein paar Anwälte und reichte laut „The Register“ Anfang März am Bundesgericht im kalifornischen San José Klage gegen Apple ein. Begründung: Sein iPhone 4S unterscheide sich vor allem durch „Siri“ von den ebenfalls in seinem Besitz befindlichen Vorgängermodellen. Anders als von Apple in einer landesweiten Marketing-Kampagne behauptet, sei die Sprachassistentin aber weitgehend nutzlos. Das iPhone 4S sei somit nicht mehr als ein überteuertes iPhone 4, das er sich mit dem heutigen Wissen niemals gekauft hätte.
In der Klageschrift heißt es dazu etwa: „Beispielsweise zeigt Apple in vielen seiner TV-Spots Menschen, die Siri dazu benutzen, um Verabredungen zu treffen, Restaurants zu finden, Gitarren-Akkorde zu lernen oder sogar eine Krawatte zu binden. Im Gegensatz zu der tatsächlichen Leistung Siris werden alle diese Aufgaben mithilfe des Features in der Fernsehwerbung mit Leichtigkeit umgesetzt.“
Da die Kunden so gerade aufgrund der Siri-Funktion zum Kauf des iPhone 4S animiert worden seien, liege eine bewusste Täuschung und Irreführung vor. Dass im Kleingedruckten darauf hingewiesen worden sei, Siri befinde sich noch im Beta-Stadium, ändere daran wenig. Apple habe schließlich stets ihre angeblichen Fähigkeiten besonders hervorgehoben.
Als Ziel der Klage nennen die Advokaten des enttäuschten Apple-Käufers zunächst ein selbstloses Motiv. Man wolle andere Verbraucher davor bewahren, ähnliches zu erleiden. Aber auch Schadenersatz wird natürlich gefordert.
Ganz unbegründet ist das Anliegen sicherlich nicht. Der Grad zwischen der Betonung bestimmter Vorteile eines Produktes und einer bewussten Konsumententäuschung ist in der Werbung oft fließend. Andererseits hätte vielleicht bereits ein kurzer Test vor dem Kauf im Laden gezeigt, dass Siri keine Wunderdinge vollbringt.
Für mich klingt die Sache schlussendlich wie das bittere Ende der ersten Verliebtheit: Die rosarot eingefärbte Brille wird wieder klar und offenbart plötzlich vorhandene Fehler und Macken, die vorher hinter einem blinden Fleck verborgen geblieben sind. Und enttäuschte Liebe kann bekanntermaßen heftige Reaktionen hervorrufen. Sollte das Verfahren sogar als erfolgreicher Präzedenzfall enden, könnte es noch ziemlich teuer werden für Apple.
(Christian Wolf)