Sonstiges

Xing zieht sich aus Spanien und der Türkei zurück

Xing

Interessant, wie unterschiedlich Meldungen über Finanzergebnisse ausfallen können. „Xing AG steigert EBITDA in 2011 um 33 Prozent“ titelte das Business-Netzwerk gestern selbst in der eigenen Pressemeldung, und einige Medien heben das hervor, so etwa Meedia. Der operative Gewinn stieg von 16,7 Millionen auf 22,2 Millionen Euro. „Xing macht Verlust“, titeln derweil Heise und die deutsche Ausgabe des „Wall Street Journal„: 4,6 Millionen unterm Strich.

Was denn nun?

Na, beides. 2011 war ein durchwachsenes Jahr für Xing, anders lässt sich das nicht ausdrücken. Die Hamburger steigerten ihren Umsatz um 22 Prozent von 54,3 Millionen auf 66,2 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2010. Die Aktionäre sollen eine Dividende erhalten. 800.000 Mitglieder kamen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) hinzu. Klingt nach einem bescheidenen Anstieg im Vergleich zu Facebook, aber immerhin noch einem Wachstum, was ja nicht jedes deutsche Social Network von sich behaupten kann. Die Niederlassungen in Spanien und der Türkei will man allerdings aufgeben.


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Xing spricht davon nicht explizit, sondern drückt es in einer Presse-Erklärung im besten Börsendeutsch so aus:

Des Weiteren hat der Vorstand eine Überprüfung der Wertansätze (Impairment) vorgenommen und beschlossen, eine Wertberichtigung der internationalen Marktzugänge Türkei und Spanien in voller Höhe (14,4 Mio. EUR) vorzunehmen. Die Entscheidung ist das Ergebnis einer konsequenten Fokussierung der Aktivitäten auf den deutschsprachigen Raum (D-A-CH).

Heißt übersetzt: Aus Spanien und der Türkei zieht man sich zurück. Jetzt ist es nur noch der DACH-Raum, der für Xing interessant ist. Bereits einige Jahre zuvor war Xing mit dem Versuch gescheitert, in China und den USA Fuß zu fassen. Neuausrichtung der Hamburger also: Erstmal auf dem Heimatmarkt stark werden, neue Funktionen starten. Möglichst viele der 95 Prozent Bevölkerung der DACH-Region gewinnen, die noch nicht bei Xing sind. Und dann? Tja dann… Wenn es das Ziel ist, jeden Bürger Österreichs, der Schweiz und Deutschlands auf die Plattform zu ziehen, dann hat man natürlich noch viel zu tun. Wenn die Aktionäre damit zufrieden sind, dann auch gut.

Allerdings schließt sich mit jedem Land, das Xing verlässt, die Tür, LinkedIn international noch einmal gefährlich zu werden. Sich nur auf den Heimatmarkt zu beschränken, birgt Risiken, wie das Beispiel der sinkenden Schiffe StudiVZ, Lokalisten und Wer-kennt-wen zeigt. Xing ist besser aufgestellt, arbeitet ständig an neuen Produkten, füllt in der Tat noch eine Marktlücke. Solange das Ergebnis einigermaßen stimmt, wird man so noch weitermachen können. Man sieht sich als „Marktführer im Bereich Social Recruiting“. Heißt übersetzt: Jobsuche über ein Social Network als Jobmotor für die deutsche Wirtschaft. Die hat sich allerdings dem Export verschrieben.

(Jürgen Vielmeier, Logo: Xing)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

15 Kommentare

  • Dann sollte ich wohl endlich mal aktiver auf LinkedIn werden. Danke für die XING-Todesmeldung!

  • Es ist leider seit langer Zeit absehbar, dass XING den VZ-Netzwerken folgen wird. Zwar langsam, aber doch mit zunehmender Sicherheit. Das liegt nicht an den technischen Aspekten der Plattform. In vielen Belangen ist XING dem Konkurrenten überlegen. Aber es ist XING nicht gelungen, die kritische Masse an Nutzern zu sammeln die notwendig ist, um gegenüber Linkedin bestehen zu können. Der Fokus auf den deutschsprachigen Raum ist zwar richtig, wenn man international nicht mehr wachsen kann. Aber alleine schon durch internationale Kontakte die man hat, ist man dann eher geneigt, Linkedin zu nutzen. Ich kann meine Kontakte aus nicht-deutschsprachigen Ländern nicht zwingen, sich bei XING anzumelden. Dass man nun in so einer Phase zum ersten Mal eine Dividende auszahlen will, spricht Bände…

  • Xing ist gerade im Business-Bereich immer noch sehr stark, irgendwie scheint es LinkedIn einfach nicht zu schaffen, in dem Bereich in DACH ein Bein auf den Boden zu bekommen.
    Dennoch hat sich Xing aus meiner Sicht vor allem in der letzten Zeit selbst geschadet, denn die an FB angelehnte neue Optik kommt bei den Usern nach wie vor nur mäßig an und Bugs waren/ sind auch reichlich dabei. Ich denke, Xing wird kaum Mitglieder verlieren, sondern eher die zahlenden Plus-Mitgliedschaften mehr und mehr einbüßen, wenn sie nicht bald wieder echten Mehrwert für´s Geld bieten.

  • Ich sehe die Entwicklung so.

    XING wird in die kommenden Jahren wohl weniger Mitglieder haben wie jetzt. Warum? Schon alleine weil jede Nutzer von diese Plattform inzwischen merkt das viele da unterwegs sind um nur ja möglich jeden Sche.. zu verticken.

    Da auch der reale Gegenwert eine aktive XING Nutzung immer mehr sinkt werden immer mehr hier sich verabschieden.

    Noch schlimmer für XING wird aber folgende Entwicklung sein.

    Die Zahl der kostenpflichtige Premium Nutzer wird noch massiv zurück gehen. Warum? Weil schon langsam auch der dümmste merken wird das er/sie fürs sein Geld kaum mehr ein reale Gegenwert erhält.

    Diese werden vielleicht noch bei XING bleiben aber nur mit kostenlose Basic Mitgliedschaft.

    Somit dürfte die Ertragslage von XING in die kommenden Jahren immer wenige werden.

    Dies alles bringt den Risiko das es wohl in 10 Jahre XING gar nicht mehr gibt.

  • Naja, impairment heißt hier erstmal nur, dass XING sein Anlagevermögen überprüft hat (zu dem auch Tochterunternehmen gehören) und daraufhin eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen hat. Daraus zu schließen, dass sich das Unternehmen aus den Auslandsmärkten zurück zieht, ist etwas voreilig und zu gewagt…

  • Wer agiert hier eigentlich und wer reagiert? Hat der Markt das Urteil gefällt oder Xing selbst? Xing hat sich nicht zurückgezogen sondern ist (halb-) tot umgefallen. Wenn ein Mensch stirbt, dann heißt es ja auch nicht: er hat sich aus dem Leben zurückgezogen…

  • Xing war für viele und auch für mich nur ein Ersatz, weil es Facebook in der Form wie heute noch nicht gab. Eine Möglichkeit, produktiven Nutzen aus dem Netzwerk zu ziehen, habe ich nicht finden können. In den Gruppen, leider auch in den Fachgruppen, wird kaum konstruktiv diskutiert, sondern Selbstdarstellung und Egopflege betrieben. Die eigentlich nützlichen „Wer-kennt-wen-Pfade“ zu interessanten Zielpersonen funktionieren nicht, weil zu viele Nutzer sich lieber mit X Kontakten brüsten, die aber alles Luftpumpen sind, anstatt sich auf die Personen zu beschränken, die auch im Real Life Kontakte sind. Noch bin ich dort mit einem Account vertreten, einfach, weil es irgendwie dazugehört, aber mit jeder Premiumrechnung kündige ich dieser Plattform ein bischen mehr.

  • Xing ist an sich gar nicht so schlecht und hat mE eine Daseinsberechtigung. Die Ausrichtung auf Business bringt für die User schon Vorteile. Man kann viel leichter Kontakte knüpfen, und vor allem die richtigen Leute finden als bei Facebook. Dieser Rückzug aus Spanien und der Türkei ist unter dem Aspekt auf eine Fokusierung nachvollziehbar. Andererseits, wie Philip schon schreibt, hat man ja gerade im Businessbereich viele internationale Kontakte, oder möchte sie haben …
    Wofür diese Plattform nun knapp 500 Mitarbeiter benötigt ist mir auch schleierhaft.

  • Ich finde Xing nach wie vor gut, obwohl ich zugeben muss, dass in der Tat mehr und mehr Hansels dort rumkrebsen, die ihren „Internetmillionär-in-24-Stunden“ Nepp verramschen wollen. Vielleicht wird Xing dem ja mal Herr, ohne gleich allen anderen die Akquisefunktionen zu streichen.