Wer Videos und Links mit der Welt teilen will, der kann darüber bloggen. Nur tun das immer weniger Menschen, weil man seine Links und kurze Statements ja viel einfacher auf Twitter oder Facebook mit einer ausgesuchten Zielgruppe teilen kann. Was aber ist mit den kurzen Geschichten des Alltags, über die man sich mit seinen Freunden austauschen möchte?
Twitter kommt dafür nur bedingt in Frage. Nicht alles passt in 140 Zeichen; Kommentieren und Liken ist nur eingeschränkt möglich. Viele Alltagsgeschichten, die früher ihren Weg in Blog-Beiträge gefrunden haben, passen gut in eine Facebook-Nachricht. Also halte ich die Behauptung nicht für kühn, dass neben Twitter auch Facebook dem „Alltagsbloggen“ ein Stück vom Kuchen weggefressen hat.
Ein triviales Beispiel von mir selbst, als ich neulich einkaufen war. Etwas worüber ich früher in meinem Privatblog rumgemosert hätte, landete auf meiner Facebook-Pinnwand:
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Gehe nie wieder um 18:30 Uhr beim Rewe einkaufen! Es gibt keine Einkaufskörbe mehr, vor der Leergutannahme stehen 20 Leute und Handys haben grundsätzlich keinen Empfang, so dass man sich nicht in Echtzeit darüber bei Twitter oder Facebook beschweren kann. Kerl hinter mir an der Kasse, Typ: Junkie, stöhnt rum, weil es ihm zu langsam geht. Kann der nicht ruhig sein und sich bei Twitter oder Facebook… Ach so…
Warum landete der Text nicht in meinem Privatblog? Weil er mir dafür zu profan und zu kurz erschien. Für Twitter war er hingegen zu lang. Für eine Statusmeldung auf Facebook stehen dem Verfasser drei Tweet-Längen zur Verfügung, also 420 Zeichen. Noch ein Beispiel von meiner Facebook-Pinnwand, nicht leicht zu kommentieren, aber einfacher zu liken:
Wie ich so auf dem Behandlungstisch beim Zahnarzt lag – Schläuche, Klammern, Haken, Gummituch, Zahnärztinnenhände in meinem Mund – da wurde mir klar, dass in meinem Leben etwas fehlte. Nein, Schläuche, Klammern, Haken und Gummitücher waren es nicht.
Was bedeutet das für Blogs? Auf der einen Seite noch weniger Texte und Besucher. Auf der anderen Seite aber auch weniger Belangloses, was für höhere Qualität spricht. Wenn man jetzt noch etwas auf seinem Privatblog verfasst, dann ist es meist ein längerer Text zu einem Thema, zu dem man sich Gedanken gemacht hat.
Nur noch auf Facebook bloggen?
Könnte man eigentlich nur noch auf Facebook bloggen? Theoretisch längst möglich. Wenn die 420 Zeichen nicht ausreichen, gibt es die Möglichkeit, die Beschränkung mit dem Trick zu umgehen, ein Bild oder einen Link zu posten. Dann gilt die 420-Zeichen-Beschränkung nicht mehr. Das ist allerdings die schlechtere Alternative, weil man den Text nicht formatieren kann. Besser wäre die Möglichkeit, eine Nachricht als Facebook-Notiz zu veröffentlichen. Hier bietet Facebook einen Einsteiger-Editor an, mit dem man den Text zumindest ein wenig formatieren kann. Aber es fehlen Möglichkeiten wie Textpassagen durchzustreichen und Links einzufügen; HTML wird nicht unterstützt.
Warum sollte man überhaupt auf Facebook bloggen? Weil dort ohnehin die Leute sind, mit denen man sich gerne austauscht. Man spart sich Trolle und kann seine Erlebnisse auf Wunsch weniger öffentlich machen. Warum man es nicht tun sollte? Weil „Veröffentlichen“ eben „öffentlich“ bedeutet. Und das erreicht man nicht, wenn die eigenen Texte in Wahrheit Facebook gehören und nicht jeder zu ihnen Zugang hat. Wer Facebook-Kommentare und -Likes direkt auf seinem Blog will, kann das Facebook Comments oder – besser – ein Sammel-Plugin wie Disqus einbauen.
Ich hab einige Bekannte unter meinen Facebook-Freunden, die sehr unterhaltsam auf Facebook aus ihrem Leben erzählen, ohne je gebloggt zu haben. Wäre es für euch eine Alternative, das Bloggen ganz aufzugeben und nur noch auf Social Networks wie Facebook und Diaspora zu bloggen?
(Jürgen Vielmeier)