Wir machen heute mal etwas anderes als sonst: Wir betreiben kein StudiVZ-Bashing, auch wenn der Zeitpunkt dafür sehr günstig wäre. Wir wollen einfach mal konstruktiv überlegen, was die VZs tun müssten, um wieder attraktiv zu werden. Wie ihr euch denken könnt, würde das nicht gerade einfach und vor allem teuer. Gestern jedenfalls meldete die „Financial Times Deutschland“, dass der Holtzbrick-Verlag als Eigentümer der VZ-Netzwerke einen Umbau plane.
Der bisherige Digitalchef Johann Butting geht in die USA, um dort Projekte zu betreuen. Sein Nachfolger wird in Personalunion Verlagsprokurist Markus Schunk. Wir geben ihm ein paar Tipps mit auf den Weg, wie er das Steuer noch herumreißen könnte, auch wenn wir nicht glauben, dass er der Richtige dafür ist.
1. Weg vom großen Geld in den Köpfen: Loggt man sich heute bei den VZs ein, springen einem zuerst einmal gigantische Werbebanner entgegen. Das schreckt ab. Klar, wer geschätzte 85 Millionen Euro für die Übernahme bezahlt hat, muss die irgendwie refinanzieren. Aber auf diese Weise verschreckt man die letzten noch lebenden Nutzer und gewinnt keine neuen dazu. Natürlich muss die Seite umgestaltet werden, aber wenn man gegenüber Facebook noch eine Chance haben will, müssen die Verantwortlichen das Dollar-Zeichen aus dem Blickfeld verlieren und den Spaß für den Nutzer wieder in den Vordergrund stellen.
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2. Relaunch: Hier schließt sich natürlich Punkt 2 an: Ein neues Design muss her. Die Profilseite ist nach wie vor übersichtlich. Alle Einstellungen sind schnell zu finden. Facebook könnte sich hiervon in der Tat ein Scheibchen abschneiden. Verirrt man sich jedoch auf die persönliche Startseite, möchte man am liebsten rückwärts wieder raus gehen. Das ist Webdesign wie vor vier Jahren und es wirkt, als sei das Netzwerk mausetot.
3. Mit dem Pfund wuchern: Und das Pfund lautet bei den VZs ganz klar Privatsphäre, Datensicherheit, Übersichtlichkeit. Die VZs haben aus den Protesten in den vergangenen Jahren gelernt, verkaufen keine Daten und sind in Sachen Privatsphäre vorbildlich. Damit sollte man werben, nach dem Motto: Was ihr bei Facebook nicht bekommt, bekommt ihr bei uns. Ein weiterer Trend der VZs, der sich bei Facebook noch nicht so ganz durchgesetzt hat: soziale Gruppen. „Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg“ ist seinerzeit bei StudiVZ zum Kult geworden. Etwas, das man in dem Maße bei Facebook vermisst.
4. Weltsprache Englisch: Es nützt nichts. Alleine auf dem deutschsprachigen Markt können die VZs langfristig nicht bestehen. Wenn man als Facebook-Alternative noch eine Chance haben will, sollte man noch einmal den internationalen Markt anvisieren und ein englischsprachiges Team aufstellen. Die englische Version von MeinVZ ist ein Anfang, wirkt aber halbfertig. Und auch ein neuer Name müsste her. Wer verstünde im Ausland schon, was Meinverzeichnis heißt?
5. Internationale Partner finden: Das meint vor allem Investoren. In Deutschland sind Geldgeber in erster Linie darauf bedacht, dass sich der Dienst refinanzieren kann. Eher sollte man sich mal in den derzeit sehr spendierfreudigen USA umsehen, ob sich nicht jemand findet, der die Idee einer Facebook-Alternative auf Englisch mit ein paar Milliönchen unterstützen mag.
6. Den Games treu bleiben: Mit ihrer Spiele-Plattform haben die VZs einen kleinen Überraschungserfolg gelandet: Viele Nutzer spielen Social Games, und die VZs nehmen damit sogar Geld ein. Das ist etwas, worauf man aufbauen kann.
7. Wenn kopieren, dann richtig: StudiVZ war von Anfang an ein Facebook-Klon. In den vergangenen Jahren saß man deswegen in der Zwickmühle: Hätte man weiter kopiert, hätte es Ärger von den Nutzern gegeben. Hätte man es nicht getan – und das war der Fall – wäre Facebook davon gezogen. Facebooks Schmuckstücke sind der Feed mit den Aktivitäten der Freunde, die Kommentarfunktion und der Like-Button. All diese Funktionen haben die VZs im Laufe der Zeit viel zu spät eingeführt. Aber es gibt sie, und jetzt geht es darum, sie benutzbar und hübsch zu machen.
8. Developers, Developers: Es müssen laufend neue Funktionen her. Aber dabei reicht es nicht, wenn man Facebooks Ideen ein Jahr später abkupfert. Es müssen Leute mit eigenen Ideen an die Macht.
Schunk kann sich einen Verkauf der Netze vorstellen. Hier lauert die Webwelt vermutlich schon, um sich kaputt zu lachen, wer dumm genug sein könnte, sich die Netze noch zu kaufen. Man munkelt, Facebook habe derzeit kein Interesse. Im vergangenen Jahr haben die VZs durch die massive Schaltung von Werbung ihren Umsatz um 90 Prozent auf 30 Millionen Euro erhöht, was erstaunlich ist. Wie viel wird davon nach diesem Jahr noch bleiben? Schunk sagte der „Financial Times Deutschland“ im schönsten Marketingsprech:
Trotz der verstärkten Wettbewerbssituation sehen wir uns als VZ gut aufgestellt und prüfen aus dieser Situation heraus alle strategischen Optionen.
Wenn man also davon ausgehen kann, dass bis auf ICQ-Besitzer und Facebook-Teilhaber Mail.ru niemand ernsthaft Geld und Interesse an den Netzen zeigen dürfte, lauten die einzigen Optionen nur: verwalten, abschalten oder wieder flott machen. Den einzig vernünftigen Ausweg, den ich für die VZs deswegen überhaupt noch sehe, ist: Neu machen, besser machen, anders machen. Es ist der letzte Ausweg.
(Jürgen Vielmeier)