Am 25. Februar kommt „Plastic Planet“ in unsere Kinos, eine Dokumentation von Werner Boote, in der die weltweite Verschwendung von Kunststoffen thematisiert wird. Der Film wurde im Stil Michael Moores gedreht, ist also recht unterhaltsam – nichtsdestotrotz aber auch lehrsam: Bei IMDb bekommt „Plastic Planet“ derzeit 7,7 Sterne (von zehn), das ZDF bezeichnet den Streifen als „Katastrophenfilm mit erstaunlichen Erkenntnissen“ und zahlreiche Umweltaktivistengruppen haben als Unterstützer die Hand gehoben.
Die Dokumentation wurde bereits in Österreich gezeigt, derzeit ist die Crew noch damit beschäftigt, alles für den deutschen Start vorzubereiten – und zum Marketing zählt natürlich auch eine ordentliche Internetpräsenz mit .de-Domain. Gestern erreichte uns aber eine Mail von Leser Stephan, in der Folgendes zu lesen war:
Als ich mich über diesen Film informieren wollte, gab ich www.plasticplanet.de ein. Ich stieß wider Erwarten nicht auf die Seite des Filmes, sondern auf die Infoseite eines großen Plastikherstellers, der sich auf dieser Seite von den Vorwürfen des Filmes entlasten will. Die Homepage des Filmes „Plastic Planet“ schreibt sich mit Bindestrich, nämlich www.plastic-planet.de.
Das mussten wir erst einmal überprüfen: Also, plastic-planet.de führt zum Film, plasticplanet.de aber auf das Gegenangebot einer großen Plastikgruppe? – Ja, so ist es. Registriert ist die Domain auf PlasticsEurope, einen Verband, der unter anderem mit den Sprüchen „Kunststoff ist Umweltschutz“ und „Mit Kunststoff Wüsten fruchtbar machen“ wirbt und sich als Repräsentant von 1,6 Millionen Beschäftigten in der Plastikbranche sieht. Die Seite ohne Bindestrich bietet kein Impressum, will dafür aber eine „ausgewogene Diskussion über Kunststoffe“ bieten: „Entgegen dem im Film vermittelten Eindruck begrüßt die Kunststoff-Industrie einen konstruktiven Dialog und den offenen Meinungsaustausch“, heißt es dort – nach einem Feedback-Button oder einer E-Mail-Adresse sucht man allerdings vergeblich.
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Stephan hatte uns angeschrieben, um mal nachzuhaken, ob so ein Vorgehen überhaupt rechtens ist, immerhin müsste die Marke „Plastic Planet“ ja irgendwie dem Film zugeordnet sein. Wir haben daraufhin die Frage an den Internetanwalt Dominik Boecker weitergeleitet, der auf Domainrecht spezialisiert ist (folgt ihm auf Twitter). Hier ist, was er dazu zu sagen hat:
Hi Dominik, wie sieht es aus: Hat Regisseur Boote verpennt und kann er dagegen vorgehen, dass sein Doku-Titel so übernommen wird?
Die Frage ist recht vielschichtig. Filmemacher können dies nur, wenn ihnen ein Unterlassungsanspruch zusteht, der sich hier (auf den ersten oberflächlichen Blick) aus Marken- oder Wettbewerbsrecht ergeben könnte. Filmtitel sind nach § 5 Abs. 1 iVm Abs. 3 MarkenG bei Aufnahme der Benutzung im geschäftlichen Verkehr als geschäftliche Bezeichnungen geschützt. In der von dir geschilderten Konstellation stellt sich die Frage: wer war der erste am deutschen Markt?
Ist das wichtig?
Markenrechte (auch die aus § 5 MarkenG) sind Territorialrechte und können nur innerhalb des jeweiligen Landes entstehen und durchgesetzt werden. Die Benutzungsaufnahme ist bislang in Deutschland noch nicht erfolgt (erst ab dem 25. Februar, vorbehaltlich einer größeren Werbekampagne), so dass der Titelschutz noch nicht entstanden sein dürfte (eine Vorverlagerung des Schutzes über eine Titelschutzanzeige hat nach einer kursorischen Recherche nicht stattgefunden). Insoweit steht den Filmemachern wohl noch kein Titelschutz zu (und wenn sie ihn hätten, müsste noch geprüft werden, ob die Domain älter oder jünger ist, als der Titelschutz).
Was ist davon zu halten, dass der Plastikverband hier ein komplettes Gegenprogramm unter fast derselben URL aufgebaut hat?
Wettbewerbsrechtlich ist das Verhalten nicht zu beanstanden. Es ist keine gezielte Behinderung (die wäre erst dann anzunehmen, wenn der Domaininhaber eine Vielzahl von Domains in Varianten bei verschiedenen TLD registriert hätte, um die Filmemacher auszuschließen) und auch kein herabsetzen oder verunglimpfen, denn nach meinem ersten Lesen setzt sich der Domaininhaber zwar kritisch mit dem Film auseinander, vertritt dabei auch diskussionsfähige Gegenpositionen und zieht nicht verleumderisch oder alleine in der Absicht, die Filmemacher herabzuwürdigen, über den Filminhalt her.
Der Verband kann sich mit seiner Kritikseite also beruhigt zurücklehnen?
Bei dem Domaininhaber steht – wenn man einen Anspruch aus MarkenG oder UWG annehmen würde – dann ergänzend noch das Grundrecht aus Art. 5 GG zur Seite, wenn er sich mit „Anschuldigungen“ gegen seine Branche öffentlich auseinandersetzt. Spätestens da kommt man dann in eine Abwägung hinein, deren Ausgang offen ist. Es gäbe da dann gute Argumente für beide Parteien.
(André Vatter)