Der schwelende Konflikt zwischen bezahlten Redakteuren und Bürgerjournalisten wie Bloggern erinnert ein wenig an den traditionellen Nachbarschaftsstreit: Man brüllt sich über die Hecke an, bekommt sich aber nicht wirklich in die Haare. Man geht sich eben aus dem Weg und sucht den Kontakt nur dann, wenn es wirklich geknallt hat. So wie in diesem Fall.
Am 5. August hatte es an der Londoner Waterloo Station eine wilde Schießerei gegeben: Die Polizei hatte zuvor einen verdächtigen Radfahrer anhalten wollen, der dann aber ohne Warnung das Feuer eröffnete. Ein gefundenes Fressen für die Boulevard-Presse also, die sich gesammelt auf den Weg zum Bahnhof machte. Doch der Twitterer Joe Neale war schneller. Er knipste ein Foto vom Tatort und schickte es per Twitpic ins Netz: „Heilige Scheiße, ein Polizist wurde an der Southwark U-Bahnstation erschossen“, lautete sein Kommentar (nur zur Info: niemand wurde erschossen, jedoch zwei Wachtmeister verletzt). Nach der Aufregung war der Vorfall vergessen.
Doch dann meldete sich ein Kumpel über Twitter: „Oh, schau mal. Du bist auf Sky News.“ Neale folgte dem begleitenden Link und fand sein TwitPic tatsächlich auf der Nachrichtenseite wieder: als Aufmacher zu einem Bericht über die Schießerei. Er schrieb dem entsprechenden Online-Redakteur einen Tweet und bat darum, dass sein Name von „Joe auf Twitter“ in „Joe Neale“ geändert werde, was nach fünf Stunden auch geschah. Neale, jetzt schon merklich angenervter, wendete sich noch einmal an Sky News, diesmal per E-Mail, in der er dem Nachrichtenmagazin seine Konditionen für den Bildklau mitteilte:
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Meine Forderungen dafür, dass mein Foto ohne Erlaubnis verwendet wurde, beläuft sich auf 300 Pfund für den Einsatz auf der Startseite sowie jeweils fünf Prozent der Summe für jede Woche, die es bei Ihnen noch online ist. Angefangen vom fünften August und so lange es weiterhin verwendet wird. Es ist bei Google nach wie vor hoch gerankt und ich habe keine Zweifel, dass es einen hübschen Umsatz generiert. Anbei finden Sie meine Rechnung in Höhe von 326,24 Pfund. Dafür erhalten Sie nachträglich die Erlaubnis, das Foto bis heute, Montag, 17. August genutzt zu haben.
Wie zu erwarten war, herrschte bei Sky Funkstille. Es gab keine Reaktion – oder doch: das Bild wurde entfernt. Neale drehte jetzt voll auf und bezog die Öffentlichkeit in sein Problem mit ein. Unter Verwendung des Hashtags #skypic polterte er gegen die etablierten Medien auf Twitter: „NewsCorp benutzt deine Bilder ohne Erlaubnis und will dann auch noch für das Lesen der Inhalte zur Kasse bitten.“ Einige werden sich sicherlich erinnern: Kürzlich hatten wir die emotional geführte Debatte über Paid Content im Netz, die Rupert Murdoch angestoßen hatte – und die uns sicherlich noch einige Zeit begleiten wird. Nach den Plänen sollen sämtliche Medien des NewsCorp-Imperiums schon im kommenden Jahr kostenpflichtig werden. „Herrn Murdoch scheint es nichts auszumachen, nicht für Material zu zahlen – und klaut fröhlich die Arbeit anderer Leute“, schob Neale hinterher.
The Register, wo ich die Story gerade gelesen habe, hat eine offizielle Anfrage an Sky News gerichtet. Die Antwort liest sich genauso versöhnlich wie unpersönlich: Man nehme Social Media begeistert an und zwar als „Quelle für journalistische Inhalte“. Die Rechte der unfreiwilligen Content-Lieferanten würden natürlich beachtet, weshalb man die Urheber – wenn möglich – immer benennen oder fair bezahlen würde.
Neale hat mittlerweile sein Honorar erhalten. Doch die Unsicherheit bleibt, wie sich vergleichbare Fälle in Zukunft entwickeln werden. Vielleicht sollten alle Blogger und Twitterer einer globalen und noch zu errichtenden Nachrichtenagentur beitreten und diese mit exklusiven Inhalten füttern. Sollten die etablierten Medien aus Zeit- oder Kostengründen die eigene Recherche vernachlässigen, können sie ja dann immer noch aus dem Fundus des Pools schöpfen. Gegen Gebühr, versteht sich.
(André Vatter)
Interessante Geschichte und interessante Idee einer globalen Agentur für Blogger!
Joe Neale hat allerdings nicht geschrieben dass ein Polizist erschossen wurde. (Er schrieb: „Holy crap police man shot at Southwark tube station!“) „To shoot someone“ steht im Englischen sowohl für „anschießen“ als auch für „erschießen“.
#klugscheissmodusoff‘
@1 Danke für den Hinweis. Hätte ich „angeschossen“ geschrieben, hättest du denselben Kommentar abgeben können. Und ein drittes Wort fiel mir nicht ein. 🙂
Das ist das Leben wer das Zepter in der Hand hält der hat einfach die Macht. Umso höher jemand gestell ist umso netter wird er behandelt und ein kleiner Blogger, also bitte, was erwartet ihr? Unter Umständen wäre es ihm ja garnicht aufgefallen …
Die Idee mit der Nachrichtenagentur ist gar nicht mal so dumm. Allerdings bedingt die Umsetzung auch entsprechende Portale die den News-Content anbieten. Hmmm….ja, das wäre es doch. Abrechnung wie bei den Stockfotos. Aber eben im News Bereich.
Eigentlich sollte es doch genügen, veröffentlichte Bilder unter eine klare Lizenz zu stellen. CC-BY-NC-SA halte ich im allgemeinen für sinnvoll, wenn ich keine kommerzielle Nutzung (ohne Rückfrage und ggf. Honorarvereinbarung) haben möchte. Wer sich daran nicht hält, von dem kann man sofort Schadenersatz geltend machen.
Ob und inwieweit der im Ausland einklagbar ist, ist natürlich wieder ein eigenes Problem, aber das hat man auch generell bei Rechtsstreitigkeiten über Ländergrenzen hinweg.
Wahnsinn, dass man mit Social-Media inzwischen so eine Öffentlichkeit erschaffen kann, dass große Konzerne zum Einlenken gezwungen werden.
wenn man sowas vermeiden will, wäre auch ein Wasserzeichen eine Möglichkeit…vll sowas wie „c by BlueRay_One“. Ist zwar aufwendig, aber effektiv! Obwohl, fällt mir grade ein, sowas könnte man doch auch in Twitpic einbauen, oder? Neue Funktion: Wasserzeichen einbinden=)
[…] Read the original here: Wenn Verlage sich im Social Web bedienen […]
„Vielleicht sollten alle Blogger und Twitterer einer globalen und noch zu errichtenden Nachrichtenagentur beitreten und diese mit exklusiven Inhalten füttern. Sollten die etablierten Medien aus Zeit- oder Kostengründen die eigene Recherche vernachlässigen, können sie ja dann immer noch aus dem Fundus des Pools schöpfen. Gegen Gebühr, versteht sich.“
Dann wird Twittern, Bloggen und Fotografieren etc. alles nur noch zu einer Geldsache. Das würde ich traurig finden.
Aber irgendwie wird alles zu einer Geldsache, aber falls man die Piratenpartei wählt und diese an die Macht kommt, dann werden alle Internetinhalte (Fotos etc.) für jeden frei benutzbar sein. Auch für die Medienhäuser. Die verdienen dann dran und Joe könnte dann keinen Cent verlangen.
🙂
Debatte über paid content die Murdoch angestoßen hatte? palease, die Debatte ist so alt wie das Web.
@Millus: Die Piratenpartei unterscheidet sehr wohl zwischen privater und kommerzieller Nutzung.
Glaub auch, dass du was missverstanden hast, Millus 😉
@Jana: Dass Paid Content keine Murdoch-Erfindung ist – das ist klar. Doch er hat tatsächlich erstmals offen an alle Medien appelliert, dem Ruf kollektiv zu folgen. Ob er sich später allerdings selbst anschließen wird… wer weiß das schon? Hier noch Hintergrundinfos zum Thema: http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=2189 #HerrKnüwer
@Millus: Erzähl doch nicht so einen haarsträubenden Blödsinn über die Piratenpartei!
Natürlich besteht ein Unterschied zwischen privater und kommerzieller Nutzung, auch aus Sicht der Piratenpartei. Diese setzt sich dafür ein, dass Privatkopien erlaubt bleiben.
In diesem Beispiel wäre eine Privatkopie, wenn Du Dir das Foto von Joe auf Deinem Rechner speicherst.
Da technisch gesehen bereits beim Seitenaufruf eine Kopie erstellt wird, sind Gesetze die Privatkopien verbieten sollen so oder so absurd.
echt verrückte Geschichte.
@Francis: Wo ist dann der Unterschied zu den jetzigen Gesetzen? So weit ich weiß, darf man z.B. Fotos auf seinem eigenen Rechner speichern.
Das Urheberrecht ist in der westlichen Welt relativ gut ausgearbeitet. Mithin braucht man nur die Nerven und das Geld, einen Verlag zu verklagen. Das geht im Falle der BürgerJournallie aber viel besser, weil man nicht Angst gaben muß, gekündigt zu werden, wie es den vielen Freien geht. Und in den USa finden sich auch Anwälte auf der Basis von Honorarleistung als ein Prozentsatz vom Klageerfolg. Es bedarf mithin nur noch der Courage, oder aber dem Weg in die Öffentlichkeit, wie in Joe gewählt hat
Krasse Geschichte, aber nicht jeder hat auch die Möglichkeit genügend auf sich aufmerksam zu machen, und so die Öffentlichkeit zu informieren und Druck auf den „Bildklauer“ auszuüben…
Eine interessantew Geschichte…
Aber ich finde die Forderung hat durchaus seine Berechtigung.
Zumal der Sender ja auch einen Nutzen daraus zog.
Ich finde es ziemlich dreist, dass sich eine Nachrichtenagentur Inhalte zusammen klaut, aber genauso dreist ist auch die Antwort des Urhebers. Mich würde es in diesem Zuge aber nicht wundern, wenn sich die Betreiber der Social Media Plattformen die still und leise die Rechte an Bildern etc. sichern (über AGB Änderungen) und dann die Agenturen und Verlage den Betreibern das Geld blechen dürfen…
Gleiches Recht für alle. Wenn Blogger nicht Bilder von Nachrichtenagentur nutzen dürfen, dann darf es (ungefragt) auch nicht anders herum sein.
Zum Kommentar #5: Du brauchst Deine Bilder nicht extra unter einer Lizenz stellen. Durch das Fotografieren hast Du automatisch die Urheberrechte (deswegen heißen sie ja auch so). Wenn jemand das Bild nutzen will, der muss Dich fragen.
[…] TwitPic-Klau: Wenn Verlage sich im Social Web bedienen | Basic Thinking Blog (tags: Onlinejournalismus Urheberrecht) […]
Hihi, kann mir das Grinsen einfach nicht verkneifen. Sky News hat sich mit der Aktion auf jeden Fall schön blamiert. Schön, dass er da so hinterher war. Sky hätte ja auch einfach fragen können – vorher! 🙂
[…] auf @basicthinking einen Artikel über Twitpic und gestohlene Fotos gelesen. Hätte der Blogger Tweetblogging genutzt […]
[…] Wenn Verlage sich im Social Web bedienen Basic Thinking Blog: “Der schwelende Konflikt zwischen bezahlten Redakteuren und Bürgerjournalisten wie Bloggern e… […]
[…] von Theodor Storm weise ich mal auf die Politikerportraits der @schwadroneuse hin. Und wenn ich sowas lese, dann weiß ich auch nicht, was ich davon halten soll. Da wird seitens der Blogger, Twitterer […]
[…] TwitPic-Klau: Wenn Verlage sich im Social Web bedienen […]
[…] Bilder welche man auf Twitpic veröffentlichen möchte kann man entweder direkt von dem Hand aus auf Twitter senden, oder aber […]
Seltsamerweise habe ich nichts von dieser Geschichte gehört.
und die Unsicherheit hält auch nach 10 Jahren noch an 🙂
und die Unsicherheit hält auch nach 10 Jahren noch