„Du Papa, darf ich dich mal was fragen? Im Geschichtsunterricht haben wir heute das Thema Freiheit durchgenommen. Dabei ging es auch um das Jahr 2009, als der Staat anfing, die Freiheit aller Menschen auch im Internet zu schützen. Weißt du was darüber?“ Ich lächelte und streckte meinen Arm aus. „Komm mal her“, sagte ich. „Das ist eine Sache, über die heute nicht mehr so häufig geredet wird. Und man soll auch nicht darüber reden. Komm mal runter in den Keller, da zeige ich dir was.“ Ich nahm ihn in den Arm und wir stiegen die kalten Kellertreppen hinunter. Hier, zwischen all dem Gerümpel, alten Erinnerungen und Zeitzeugen einer vergangenen Ära, setzten wir uns auf unsere kaputte Couch. „Weißt du,“ sagte ich „es gab eine Zeit, als wir das Internet nutzten, ohne das irgendjemand darauf geachtet hat, was wir aufgerufen haben.“ „Boah, ehrlich? Ihr konntet alles auf der Welt anschauen?“ „Ja, das Internet war etwas, womit wir uns austauschen, informieren und warnen konnten, wenn etwas nicht so lief, wie es sein sollte. Aber das ist nun schon zehn Jahre her.“
Das Internet war nicht böse und nicht gut
„Das Internet war schon immer ein Ort, wo man Gutes und Böses finden konnte. Genauso gab es Menschen, die nicht zwischen diesen beiden Worten unterschieden. Sie informierten sich einfach über aktuelle Themen und tauschten sich über Programme oder spezielle Plattformen aus. Niemand konnte sehen, über was und mit wem sie kommunizierten. Und genau das nutzten einige Menschen zu ihrem persönlichen Vorteil.“ Ich stand auf und ging zu einer der alten Kisten, die ich gut verpackt zwischen anderem Gerümpel verstaut hatte. Dicker Staub hatte sich darüber gelegt. Ich schaute kurz zu meinem Sohn und zog sie dann hervor. Sie war vollgestopft mit alten Zeitungen. Ich brauchte eine Weile, aber dann hatte ich gefunden, was ich suchte. Wortlos gab ich den bereits etwas vergilbte Papier meinem Sohn. „Wow, das ist ja eine Ausgabe von 2009. So etwas hast du noch?“ Ich nickte.
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Presse- und Meinungsfreiheit wurden abgeschafft
„Eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit ist die Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder Mensch hat das Recht, seine Meinung kund zu tun und sich mit Menschen darüber auszutauschen. Natürlich nur im Rahmen der Gesetze. Das war früher schon nicht anders. Allerdings wurde seit dem besagten Tag genau dieses Recht eingeschränkt. Zu Anfang ging es darum, unsere Kinder zu schützen, da einige Menschen Freude daran hatten, Kinder zu quälen und sich mit Anderen darüber auszutauschen. Im Internet gab es Seiten, die genau diese Inhalte zum Thema hatten und da unsere Polizei und die Politiker auf der ganzen Welt nicht immer einer Meinung waren, wurde eben eine deutsche Lösung für das Problem geschaffen. Man sperrte kurzerhand alle Seiten, die sich mit dem Quälen von Kindern befassten. Jeder, der sich künftig auf diesen Seiten aufhalten wollte, konnte das nicht mehr. Zumindest war das die Wunschvorstellung aller Politiker. Denn wenn man wusste, wie es ging, konnte man diese Seiten dennoch aufrufen.“
Die meisten Menschen erkannten die Gefahr erst, als es zu spät war
„Aber dann war dieser Schutz doch sinnlos“, erwiderte mein Sohn. Ich lächelte und streichelte ihm über seinen Kopf. „Sinnlos würde ich nicht sagen. Ein großer Teil der Bevölkerung scherte sich nicht um das Problem. Sie konnten ja weiterhin tun und lassen, was sie wollten. Dieser Schutz betraf ja nur die Leute, die diese Seiten aufrufen wollten. Und genau diese Leute setzten alles daran, diese Lücken auszunutzen und sich dennoch Zugang zu verschaffen. Und das gelang ihnen auch, wie viele vorher prophezeit hatten. Aber genau das war das Problem. Denn nun kam die Stunde derjenigen, die eine totale Kontrolle aller Rechner forderten, damit man den Schutz eben nicht mehr umgehen konnte. Und wieder scherte sich ein großer Teil der Bevölkerung nicht darum. Schließlich ging es ja um unsere Kinder, nicht wahr?“
Der Schutz-Chip wurde eingeführt
„Und dann wurde der Schutz-Chip auf jedem neuen Computer installiert“ sagte mein Sohn. „Richtig. Wobei ihn einige eher Überwachungs-Chip nannten. Denn er ist nichts anderes. Was du heute im Internet siehst, ist nur ein kleines Abbild davon, was in der Welt passiert. Du siehst nur das, von dem der Staat möchte, dass du es siehst. Denn mit dem Schutz vor diesen kinderfeindlichen Seiten hörte es nicht auf. Irgendwann hieß es, dass auch sexuelle Inhalte geschützt werden müssten. Also wurden nach und nach auch diese Seiten blockiert. Dann hieß es, dass heruntergeladene Musik die Wirtschaft schädigen würde, also wurden diese Seiten blockiert. Die Leute, die sich im Internet darüber austauschten, verstießen gegen diesen Schutz, also wurden auch die Plattformen blockiert, wo sich die Leute austauschten. Und so weiter. Ist dir das Jahr 2012 ein Begriff? Habt ihr das in der Schule durchgenommen?“ fragte ich meinen Sohn. Dieser schüttelte den Kopf.
Das Jahr 2012 hat alles verändert
„Im Jahre 2012 passierte etwas sehr Wichtiges. Auf einer Plattform mit dem Namen Wikileaks wurde ein Dokument veröffentlicht, in dem eine lange Liste von Politikern stand, die sich haben bestechen lassen, um bestimmte Schutzmechanismen einzuführen, um wirtschafliche Vorteile für deutsche Firmen zu erreichen. Auf jeden Fall sorgte die Liste für eine Menge Probleme. Aber nicht für die Politiker, die darin aufgeführt worden waren. Die beschlossen ein Gesetz, wonach es künftig Politikern nicht mehr verboten war, Geld anzunehmen. Doch nur wenige Tage später war Wikileaks gesperrt und das Kabinett beschloss, den Überwachungschip auf jedem Computer in Deutschland einzuführen.“
Ich kenne die Lösung
„So konnten die alten Computer nicht mehr ins Internet“, sagte mein Sohn. „Richtig. Wer ins Internet wollte, muss seither den Chip einsetzen. Egal ob man es möchte oder nicht.“ Mein Sohn schaute auf den Boden. „Du Papa, ich muss dir was sagen.“ „Was ist denn los?“ Er blickte auf und schaute mich betreten an. „Ich weiß wie das geht.“ „Wie was geht“, frage ich ihn. „Ich weiß, wie man den Chip umgeht. Nick und Stefan haben mir gezeigt, wie das geht. Die sind total cool und haben der ganzen Klasse erklärt, wie das funktioniert. Und seitdem schaue ich mir das ganze Internet an, unterhalte mich mit meinen Freunden und spiele tolle Spiele. Das macht total Spaß.“ Dann schaute er wieder auf den Boden. „Tut mir leid. Ich weiß, dass ich das nicht darf.“ Ich streichelte ihm über den Kopf. „Es ist nicht schlimm“ sagte ich „aber du musst vorsichtig sein. Rede mit niemandem darüber, ok? Du darfst niemandem sagen, was du weißt. Das ist viel zu gefährlich. Versprichst du es mir?“ Mein Sohn nickte. „Dann ist ja alles gut.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und rannte aus dem Keller.
Als er fort war, blieb ich noch einige Momente sitzen. Dann stand ich auf, ging zu einem Kistenstapel, schob ihn beiseite und schaltete meinen zweiten Computer ein, der sich dahinter verbarg. Ein Cursor blinkte auf und ab. „Was gibt es“ erschien auf dem Bildschirm. Ich schaute hoch zur Kellertreppe und widmete mich dann wieder meinem Computer. Leise tippte ich meine Nachricht ein. „Ich habe die Namen…“
(Alper Iseri)