Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD Hessen, Anwärter auf den Posten des Ministerpräsidenten) hat nicht nur wie bisher als einer der wenigen Spitzenpolitiker (auf Landesebene) Twitter als Medium genutzt, sondern darüber hinaus nun auch sein sein erstes Twitter-Interview geführt, was wohl überhaupt eine Deutschland-Premiere in dieser Form sein dürfte oder zumindest für einen Politiker im Wahlkampf eine absolute Premiere darstellen müsste. Witziges Randdetail: Da TSG unterwegs ist und zum Zeitpunkt des Interviewbeginns in einem McDonalds weilte, hatte er die erste Antwort und Frage während seiner Bestellung handhaben müssen;))
Warum das Interview per Twitter?
1. Erstens fiel es mir auf, dass TSG Twitter als einer von ganz wenigen Politikern überhaupt nutzt. Zweitens nutzt er das Tool, um Feedback zu bekommen. Drittens, er nutzt das Feedback, um darauf auch unmittelbar einzugehen. Sprich, er ist dialogbereit und nicht nur sendend unterwegs.
2. Von einer anderen Warte aus stellt so ein Interview in meinen Augen eine Demo für Dritte dar, sich darüber Gedanken zu machen, ob das nicht eventuell nachahmenswert sein könnte. Immerhin zwingt Twitter zur Kürze und verringert den Abstand zwischen einer Privatperson und einem Politiker auf virtueller Ebene ungemein. Da im Gegensatz zu einem Chat das Gespräch öffentlich nachvollziehbar ist und jedem offenen steht (was bei IRC nicht der Fall sein muss, je nach Einstellung des Admins), bietet es einen weiteren Vorteil. Selbsverständlich geht es darum, Twitter als ein sehr direktes Dialoginstrument zu testen, das im Gegensatz zu Blogs bei Weitem nicht so schwerfällig daherkommt.
3. Zudem, niemand kann in diesem Moment den Gesprächspartnern im Gegensatz zu einem Chatverlauf hineinfunken, da es bei Twitter kein Threading gibt, das die Bemerkungen Dritter öffentlich anzeigen würde. Was sich nur dann ändert, wenn man ein gemeinsames Hashtag nutzt und der Mitleser über die Suchfunktion die Zwischenbemerkungen einsehen kann (siehe Verlauf hier). Für den Mitleser, der sich ausschließlich auf beide Gesprächspartner konzentrieren möchte, bietet sich idealerweise Twialogue an. Wenn man wie in dem Praxisbeispiel „tsghessen“ und „robgreen“ eingestellt hatte, wurden die anderen User-Bemerkungen ausgeblendet, egal welches Hashtag man nutzt, da das Tool nicht darauf aufbaut.
Zur Interviewvorbereitung und dem Einstieg
Da ich vorgewarnt war, dass TSG unterwegs ist und ein Handy zum Antworten benutzenwird (im Verlauf des Interviews ist er auf einen Schleppi gewechselt), musste ich erstmal schauen, wie schnell die ersten Antworten reinkommen. Nachdem klar war, dass wir nicht genügend Zeit für 10 Fragen haben würden, da 15 Minuten vorgegeben waren, hatte ich mein Fragen-Set umgestellt. Ich hatte vorab rund 40 Fragen in vier Gruppen unterteilt. Die ersten beiden Fragen waren jeweils gleich, um den Einstieg abzuwarten und einzuschätzen, wie schnell TSG reagieren kann. Zwei Gruppen von Frage-Sets waren so aufgebaut, dass sie aufeinander aufbauen und eine Art Geschichte erzählen könnten. Ein weiteres Set entsprach komplexeren Fragen, mehr in die politische Richtung gehend und sah vor, dass ich auf seine Antworten mit weiteren, passenden Fragen spontan reagieren kann. Und ein Set bestand aus relativ einfachen Fragen, die abwechselnd auf die Nutzung von Twitter und auf seine Politperson eingehen. Für das Letztere Set hatte ich mich entschieden, nachdem die ersten beiden Antworten ungefähr 4 Minuten in Anspruch nahmen. Und nachdem wir bei der siebten Frage schon nach 13:00 Uhr hatten, hatte ich die zwei letzten Fragen gekickt und das Interview mit einem Dialogsignal an TSG ausklingen lassen.
Das Interview
[Beginn meinerseits: 12:44 Uhr]
@TSG Fertig zum twitterinterinterview mit @robgreen. Sind im auto.
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@robgreen @tsghessen Hallo, freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben für ein Interview auf Twitter.
@robgreen @tsghessen eine kleine Bitte vorab: Auf Fragen weder mit einem Ja noch einem Nein auch nicht einem Vielleicht antworten;)
@tsghessen legen wir los? Sind im drivethrough mcdonalds
@robgreen @tsghessen bereit?
@robgreen @tsghessen and you use the force luke, hashtag =#tsg
@robgreen @tsghessen 1. Viele kennen Twitter nicht, wie würden Sie Twitter einem Mitmenschen erklären?
@robgreen @tsghessen gehen wir zur zweiten Frage, wenn die erste zu schwer ist
@tsghessen Die komprimierteste kommunikationsform aller zeiten.
@robgreen @tsghessen, cool next question
@robgreen @tsghessen 2. Wer ist Schäfer-Gümbel in 140 Zeichen, als Mensch und Politiker?
@TSG @RobGreen Mix aus bayrischer lebensfreude und preussischen tugenden.
@robgreen @tsghessen 3. Wie kam es, dass Sie Twitter nutzen? Von PR-Beratern gewzungen worden oder rief Obama an?
@tsghessen Keine agentur. Mein obama heisst @oliverbarracuda der gehoert zur familie.
@robgreen @tsghessen use the force luke, hashtag = #tsg 😉
@robgreen @tsghessen 4. Wäre TSG der beste MP von Hessen, den wir je hatten oder nur Mittelmaß?
@TSG @RobGreen Auf jeden fall besser als der geschaeftsfuehrende. Georg august zinn war der ueberragende mp in hessen. Empfehlung: Googlen
@robgreen @tsghessen 5. Was stört sie an Politikern an meisten? Machtgeilheit? Volksferne? Was ist es?
@TSG @RobGreen inhaltsleeres geschwaetz und fehlende ziele.
@robgreen @tsghessen 6. Werden Sie auch nach der Wahl weiter twittern oder wars das mit der volksnahen Sendung?
@TSG @RobGreen auch als MP in hessen moechte weiter twittern. ich muss halt nur sehen, in welchem umfang das geht.
@robgreen @tsghessen 7. Warum soll man sie wählen? Knapp und knackig, in 140 Zeichen:) Und bitte kein Koch-Vergleich jetzt
@TSG @RobGreen weil es um die chancen und talente von „ottilie“ geht. http://tinyurl.com/a4a6a8
@robgreen @tsghessen was ist Ottilie?
@TSG @RobGreen Es ist das maedchen, dass ich jeden abend in meinen reden erwaehne. Ich erklaere an ihrem beispiel unsere bildungspolitik.
@robgreen @tsghessen abschließende Frage: Welche Fragen haben Sie an uns Twitter-Nutzer, nicht nur die in Hessen? Was interessiert Sie?
@robgreen @tsghessen (kleiner Dialoghinweis für after the interview;)
@TSG @RobGreen wenn wir twitterinterviews jetzt haeufiger machen, wie koennen wir sie verbessern?
@robgreen @tsghessen und für mich als Wähler stört in den Tweets der häufige Koch-Bezug… you not him… 😉
@robgreen @tsghessen danke sehr für das Interview und wünschte mir, dass sie uns auf Twitter weiterhin erhalten bleiben. Auch so ein Test…
@TSG @RobGreen Ich bleib twitter erhalten. Das kann ich zusagen. Was ist ihr neues projekt, wenn Sie das blog verkauft haben?
@robgreen @tsghessen, die Fragen der anderen an Sie zwischendurch würde ich mir wünschen, dass sie beantwortet werden könnten, wäre KLASSE!!!
@robgreen @tsghessen später natürlich:) Wünsche ein angenehes Wochenende!
@robgreen @tsghessen es wird einen PrivatBlogger geben und einen Fachblogger (so wie bei Poliitkern…den Privatmensch und den Publich Mensch:)
@TSG @RobGreen Danke fuer das interview. Danke fuers mitlesen. Werde mir jetzt die reaktionen ansehen. Schoenes wochenede
@robgreen @tsghessen wünsche ich Ihnen auch und ich bin stolz auf mich, Sie nicht geduzt zu haben. Gewinne die Wahl = Wunsch, kein Befehl;)
@TSG @RobGreen danke. auf bald.
[Ende: 13:19 Uhr]Eindrücke
– Netzfeuilleton
– Basicblogger
– Zweipunktnull
– Stefan Waidele
– Spitblog
– eMaster
Ich denke, der Test hat aufgezeigt, dass durchaus was machbar ist. Bürger können auf recht unkomplizierte Art Politiker ansprechen, die ntaürlich umgekehrt auch (und sich zugleich Feedback einholen, indem sie ganz simpel tweets scannen), ohne jetzt gleich an ein Interview zu denken. Offensichtlich haben einige bei dem Test „was inhaltliches“ á la Washington Post erwartet. Das wäre bisserl viel, um in Twitter eine Art Haiku-Plattform zu sehen, das war beim Erstversuch sekundär, ob inhaltlich ein Tiefgang rauskommt. Primär stand die Tatsache im Fokus, dass man es per Twitter versuchen sollte und auch kann, um das nach draußen zu senden. Bei dem weiteren Vorantasten sollte man zunächst imho mehr auf die technischen Aspekte achten, die die unmittelbaren Gesprächspartner betreffen und auch die Mitleser im weiteren Umfeld. Während dem Gespräch und nach dem Gespräch. Das scheint mir noch sehr wackelig zu sein, da viele weder mit Hashtags noch mit parallelen Fenstern etwas anzufangen wissen, um ein Zweiergespräch in Twitter verfolgen zu können. Twialogue könnte dazu nützlich sein, allerdings hat das Tool nicht alle Tweets eingescannt, wie es aussieht. Unter dem Strich aber: Für den Bürger halte ich das für eine extrem gute Chance, sich die Politiker öffentlich ins Wohnzimmer zu halten. Und Politiker sollten darüber verstärkt nachdenken, dass Microblogging womöglich wesentlich leichter als ein Blog zu nutzen ist. A little revolution…
Sachar in seinen Worten:
Bei allem Respekt, aber wenn TSG Robert, die auch an guten Tagen keine 100.000 Leser hat, ein Interview gibt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass TSG neue Medien anscheinend wirklich halbwegs ernst nimmt. Dann von ihm zu verlangen, dass er acht Tage vor der Wahl seine Wahlkampftour unterbricht, finde ich undank- und auch nicht nachvollziehbar. Neue Medien und ihre Protagonisten sind nicht der Nabel der Welt – auch wenn wir das gerne hätten.
Manche meinen, TSG habe mir ein Interview gehalten, weil er gewusst hätte, dass ich das verbloggen würde, nur, dass war dem absolut nicht klar, konnte er eh nicht wissen. Bürger können Politiker im Netz ranholen, egal wer, wenn man sich auf gleicher Kommunikationsebene bewegt, in dem Fall von Twitter zu Twitter.
Update (23:00, 10.01.): Markus Beckedahl hat sich via Radiointerview bei Radio Fritz (Trackback) von einer Boulevaridisierung gesprochen, auf die Frage hin, was er denn von dem Interview mit TSG auf Twitter halte. Nun muss man natürlich verstehen, dass er ein höheres Grünen-Tierchen ist und Parteikollegen anderer Lager wohl kaum loben würde. Nehme ich mal an, dass ein Teil auf Parteistutenbissigkeit beruht:) Mit Boulevardisierung meint er, dass Twitter nicht ausreicht, Inhalte von Politköpfen und Politprogrammen zu vermitteln. Nicht in 140 Zeichen. Inhalte vermitteln… sein Anliegen selbst ist prinzipiell gut. Markus ist da aber bisserl zu weit vorangesprescht. Denn zuerst einmal müssen Kanäle im Netz etabliert werden, die anerkannt sind. Da stehen wir am Anfang im Netz. Um mit Politikern jeder Stufe Kontakt aufnehmen zu können. Um die Bürgernähe virtuell zu festigen. Um das Misstrauen, die Entfernung und Verdrossenheit zu überbücken. Das geht nur mit Anfassen. Ob man nun Bürgernähe mit Verlogenheit abtun will, liegt nicht an mir. Das etablieren der Kanäle sollte das primäre Ziel sein. Bürgernähe erreicht man durch reden, miteinander. Anschließend dürfen mich dann auch die beckedahlschen Grünen mit ihren Ideen inhaltlich zu beglücken versuchen:))