gestern war ich wie bereits geschrieben in der Axel Springer Akademie zu Besuch und habe mich mit den Jungjournalisten austauschen können. Wir haben uns dort natürlich über Blogs und Journalismus unterhalten. Dabei stand natürlich das Internet im Vordergrund. Was sind meine subjektiven Eindrücke:
– obgleich die Teilnehmer allesamt recht jung waren, schien es mir so, dass sich Axel Springer Personal mit einem eigenen, kritischen Kopf an Bord geholt hat. Na ja, es sollen ja Vollblut-Journalisten werden:)
– was mir extrem aufgefallen ist, dass man das, was die Grundfunktion der Presse angeht, nicht einmal ansatzweise in Frage stellt: „Wir sind die zentralen Informationsversorger“. Wie ein ehernes Gesetz steht es scheinbar fest, dass die Menschen da draußen immer jemanden brauchen, der ihnen die Nachrichten zusammenstellt. Es fällt ihnen schwer, sich eine mögliche Zukunft vorzustellen, in der unternehmerisch zentralisierte Nachrichtenproduzenten durch noch wesentlich leistungsfähigere Netzmechanismen als heute über eine dezentrale Informationsaggregation, -filterung und -synthese in ihren Grundfesten erschüttert werden könnten. Gehen wir das mal gedanklich durch, wenn wir schon dabei sind.
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So beobachten wir heute schon längst, wie sich die Finanzmärkte bzw. Institute organisiert haben, was die Informationsaufnahme angeht, ihre Informationen nur zu einem Teil von der Presse beziehen und untereinander extrem gut vernetzt sind, um auf Basis des Informationssystems Entscheidungen zu treffen. Wir können das ebenso bei den Gamern beobachten, die einen Großteil ihrer Informationen aus dem Netz beziehen, nicht mehr bloß auf Spielezeitschriften angewiesen sind. Und egal wo wir hinschauen, gibt es zunehmend bessere Systemiken (Mischung aus Netzkultur, Webservices und arbeitsteiliger Collaboration), wo sich Peergroups untereinander informieren. Und das in einer Breite wie auch Tiefe, die kein Presseorgan der Welt produzieren kann.
Den klaren Vorteil, den die Presseorgane heute noch haben -in der Breite die Massen zu informieren- kann sich eines Tages zum Nachteil wenden, wenn die Peergroups zunehmend dichter werden, bis sie wie im Gaming oder IT-Bereich einen Tipping Point erreicht haben.
Dabei wird schnell die Frage nach dem Vertrauen gestellt. Eine dezentralisierte Informationsproduktion würde daran laborieren. Sehe ich nicht so, da selbstorganisierende Systeme oW in der Lage sind, weltumspannend Netzknotenpunnkte zu identifizieren, die mind. das gleiche Vertrauen genießen wie ein zentraler Nachrichtendienst. Das Problem Trust wird gelöst werden, ganz einfach, weil es ein Problem ist, das man lösen will. Grundlagen zur Lösung sehen wir bereits heute: Eine transparente Vernetzung und Deklarierung von „Netzfreunden“ über den six degrees Ansatz (die bis dato in den einzelnen Social Networks noch abgeschottet ist), eine nachvollziehbare Verlinkung, etcpp. All das sind Basisansätze, um die Vertrauensfrage nach der Herkunft und dem Verteiler einer Information zu klären. Sollte es dann anerkannte Systeme geben, die aus einem dezentralen Informationspool die themenübergreifenden News zusammenstellen, wird es immer enger für old Media.
Ja doch, heute sieht die Welt noch einigermaßen in Ordnung aus. Ich sehe es aber als Aufgabe der nachfolgenden Journalistengeneration, sich dieser Rollenfrage zu stellen und zu hinterfragen, ob das immer dichtere Netz grundlegend disruptiv wirkt und was wohl die Antworten sein können. Wenn man so will, ist es eine institutionelle Frage. Abgesehen von der offensichtlichsten Problematik, dass Printeinnahmen zunehmend zurückgehen, im gleichem Atemzug die Einnahmen aus Onlinenews nicht 1:1 kompensierend hochgehen. Ökonomisch betrachtet ist es eine Frage, ob zentralisierte Institute Ressourcen effizienter allokieren können als dezentrale Systeme. Können sie das nicht, hört das Institut auf zu existieren. Man denke allein an spezialisierte Anzeigenportale, die den Zeitungen das Anzeigengeschäft abgegraben haben. Und die Zeitungen waren viel zu verliebt in ihre Rolle als Newsproduzenten und haben demnach den Craigslists der Welt nur zugeschaut. Wenn man sich nicht ständig hinterfragt, verliert man. Ebenso könnte man wunderbar eine Zukunft für 3D-Drucker zeichnen, in der das produzierende Gewerbe seine zentrale Produktionsrolle verliert. Dort wo sie betroffen sind, werden sie womöglich nur noch zu Ingenieurseinheiten, die Produkte lizenzieren.
-eigentlich ging es um Journalismus und Blogs, stimmt, da war ja noch was. Was das Thema Journalismus vs Blogger angeht: Ich denke, wir waren uns darin einig, dass sich nur ein Randbereich der Blogosphäre mit diesem Thema befasst und es insofern keinen umfassenden Beissreflex unsererseits gibt:) Was die „Nachrichtenproduktion“ iwS angeht, so habe ich das oben zu Genüge besprochen, dass die ASA-Journalisten auch in Bloggern keine echte Konkurrenz sehen, weil man ja zentrale Nachrichtendienste benötigen wird, für immer:) Der Glaube an diese Leitfunktion scheint Teil der Gene zu sein. Vielleich haben sie ja auch Recht, wenn man bedenkt, dass sich Systemänderungen nur schleichend bemerkbar machen und erst die nächste Journalistengeneration ihr eigenes Rollenverständnis in Frage stellen wird.
– so, genug geschrieben. Habe hier meine subjektiven Eindrücke geschildert, die mir auf den Fingernägeln brennen, ohne die gesamte Diskussion wiedergegeben zu haben.
ah ja.
da passt ja herrlich der blogeintrag (randerscheinung) von thomas klüwer (ein anderer verlag ) zum thema. er zeigt auf, wie schnell man z.b. über die mumbay-attentate per twitter informiert wird, bevor irgendein eins der nachrichtenmedien was drüber bringt.
http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=1978
das große as-leitmedium mit den 4 buchstaben verkauft auch gerade im zusammenspiel mit dem grossen mitarbeiterbeobachter-discounter (auch 4 buchstaben) günstige videokameras (wie passend) mit schnittstelle zum videoupload-portal des 4-buchstabenleitmediums. bürgerjournalismus oder so.
Naja – außer Acht lassen darf man nicht die Qualität der Informationen. Ohne eine qualitativ ausgerichtete Informationsbereitstellung wären doch Blogger, die einen auf Journalist machen, relativ aufgeschmissen…
Also – für Marketing-, Technik- oder Internetblogs wäre das kein Problem, aber für solche, die sich mit sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Themen beschäftigen, bedarf es ja schon einer oder mehrerer, grundsätzlich hochwertiger Informationsquelle(n).
Ggf. läuft es darauf hinaus, dass die öffentl.-rechtl. diese Position einnehmen, während bei den Privaten nur die wirklich guten übrig bleiben (z.B. bbc, dw, ard, zdf bei TV&Radion, spon.de im Netz oder Zeit im Print)…wäre ja auch was…
Auf jeden Fall sollte man nicht übersehen, dass die Qualität der Information nicht von einem dezentralen System sicher gestellt werden kann…denn der Blogger, der über Twitter die Infos über Mumbai erhält, kann diese in keinster Weise nachprüfen…und eine Quantität an Aussagen ist keine Qualität, oder?
sehr schöner Beitrag … bin selber in der schreibenden Zunft und könnte auf beide Quellen (klass. Journalismus und Blogs) nicht verzichten. Frage mich aber, ob das Leit-Gen nur bei Springer so aktiv ist, oder ob auch andere Journalistenschulen/-schüler das ähnlich sehen.
zu Satya: Vielleicht wächst aus dem 4-Buchstaben-Leitmedium und dem 4-Buchstaben-Discounter dann ein neues 4-Buchstaben-Medium: FILM Dir deine Meinung … o.s.ä.
Für mich werden Blogs in absehbarer Zeit keine Zeitung, Zeitungswebseite bzw. die Tagesschau ersetzen, da einfach einige Sachen nicht passen:
1. Die Qualität der Nachrichten in Blogs ist meistens schlecht.
2. Die Texte werden oft einfach irgendwo anders abgeschrieben.
3. Die Quellen sind nicht offensichtlich.
4. Man kann sich nicht darauf verlassen, ob das was der Blogger da schreibt auch wirklich stimmt oder ob das ein Werbebeitrag ist oder ähnliches.
Volderette:
1. Die Qualitaet der Nachrichten in mancher Tageszeitung ist teilweise leider nicht besser
2. Die Texte einer Vielzahl von Meldungen in der Zeitung sind ebenfalls abgeschrieben: Von dpa, ddp, ap…
3. Quellen in Blogs koennen durch Verlinkung kenntlich gemacht werden. Es steht so jedem frei, diese zu pruefen
4. Selbiges gilt auch fuer manchen Zeitungsredakteur. Hier gilt es eben, die Akteure zu kennen, die sich ihrerseits ein Profil als vertrauenswuerdige Quelle schaffen muessen, die ihre Leser ernst nimmt.
Ich bin ja langsam diese Verallgemeinerungen leid… Angenommen, ich kommentiere oder berichte über ein lokales Ereignis, an dem ich teilgenommen habe oder wovon ich selbst betroffen bin. Dann sind die Punkte 1, 2 und 3 eh gegessen und bei Punkt 4 müssen sich die Leser halt auf mich verlassen (ich habe noch nie Werbung geschaltet, keine Geschenke angenommen). Ich selbst bin inzwischen mehr gewillt, den Informationen aus dem Blog meines Nachbarn zu vertrauen (den ich zur Not beim Bäcker nebenan zur Rede stellen kann) oder denen eines Wissenschaftlers (research blogging) als denen irgendeines Journalisten, der evtl. Vergünstigungen einstreicht (Presserabatte, Pressekonditionen), vorformulierte Pressetexte von Pharmafirmen durchreicht oder aus bestimmten Gründen meint, mir jedes Jahr die ‚besten‘ Winterreifen vorstellen zu müssen.
Demnach könnten Blogs also große Teile von Lokal- und Wissenschaftsteil der Zeitung ersetzen, in ihrer Textsortenvielfalt sowieso das ganze Feuilleton. Schütteln wir die Zeitung nun kräftig, damit die Werbung rausfällt, ist sie inzwischen sehr dünn, da die Kleinanzeigen eh schon ins Netz abgewandert sind (ätsch!). Es bleiben noch Politik, Wirtschaft und Sport: Hier macht sich beim Leser jedoch vermehrt Unmut breit, da er sich inzwischen eher manipuliert als informiert fühlt.
Für mich steht jedenfalls fest: Die alten Informationsmonopolisten werden in abesehbarer Zeit ihre bisherige Machtposition einbüßen, „da einfach einige Sachen nicht passen“.
Es wird m. E. beides geben. Die grossen Orientierungsmedien, dafür bildet die ASA aus und die dezentral organisierten Konstrukte. Massenmedien können immer noch Themen inszenieren, Events organisieren, damit gutes Geld verdienen. Spezialmedien mit wirklich aktiven und sachverständigen Nutzern bedienen dann eine andere Klientel. Es ist wie Pauschaltourismus versus selbst organisiertem Tourismus, beide haben ihre Berechtigung und verdienen ihr Geld. Schwierig wird es nur für träge Exmonopolisten, die immer noch Gatekeeper sein wollen, wo der Zaun längst an hunderten Stellen durchlöchert ist.
[…] Vorschub zu leisten. Diesen Eindruck hatte ich zum Beispiel bei Robert Basics Bericht zu seinem Besuch bei der Axel-Springer Akademie, in dem er sich angesichts der dort angetroffenen jungen, offenbar eloquenten Nachwuchsjournalisten […]
Sowohl die Presse als auch Blogs haben ihre Vor- und Nachteile.
Schon der Faktor, dass ein Blogger meist in Realtime interagiert und die Presse eher Stündlich, Täglich oder Wöchentlich berichtet, hat seine großen Vor- und Nachteile.
Blogger neigen dazu, aufgrund der großen Konkurrenz im Netz, so schnell wie irgendmöglich irgendetwas vorschnell herauszuposaunen. Erster 1111!!!
Der Journalist hat den Vorteil, dass er sich erst an einem gewissen Zeitpunkt mit seinen Kollegen messen muss und daher zumindest die Chance hat, in der Zwischenzeit gründlicher zu einem Thema zu recherchieren. Da hat zum Beispiel der Spiegel als Magazin seinen Reiz. Die gedruckte Ausgabe berichtet zwar sehr spät über ein Thema, dafür fallen alle windigen Informationen weg, die in den ersten Minuten und Stunden bei einem Ereignis kursieren und werden ersetzt durch höherwertige Informationen von befragten Experten.
Diverse Blogger versuchen schnell und daher aufgebläht über Halbwahrheiten zu berichten. Das gleiche gilt natürlich für einige kommerzielle Fernsehsender. Es gibt solche und solche. Das anonyme Medium Internet verleitet aber stärker dazu, schneller unreflektiert Mist zu verbreiten.
Ein Journalist einer angesehen Nachrichtenagentur kann auf das Netzwerk seines Unternehmens zurückgreifen, auf Journalisten die dort leben, wo gerade etwas passiert. Ein Blogger kann auf die Blogger zurückgreifen, die dort leben, wo gerade etwas passiert. Der Unterschied ist folgender. Blogger die keine Journalisten sind, neigen dazu nicht selbst auf die Straße gehen und entsprechende Leute zu befragen, sondern berichten über das, was sie selbst im Netz finden. Das birgt die Gefahr über Halbwahrheiten zu berichten. Ein Journalist dagegen fördert selbst neue valide Informationen, indem er z.B. einen Chefarzt in einem Krankenhaus oder einen Polizisten auf Streife befragt, der darüber wahrscheinlich nicht gebloggt oder getwittert hätte.
Was ich damit sagen will. Am Ende arbeitet sowohl die Presse mit Menschen, als auch Blogger. Nur ist Wahrscheinlichkeit bei manchen Themen besser diese von Bloggern zu beziehen und bei anderen besser von Journalisten.
Die beiden Lager müssen sich gegenseitig befruchten. Blogger bieten die Schnelligkeit, gute Journalisten die Professionalität, das Kapital, die Zeit und die Erfahrung Interviews mit Menschen zu führen. Da alle Informationen von Menschen kommen, ist letzteres ein Vorteil.
Ich bin übrigens kein Journalist, sondern Blogger und kenne privat auch keinen einzigen Journalisten, trotzdem schätze ich deren Arbeit genauso wie die, von guten Bloggern.
Wenn es sehr ins Detail gehen soll respektive muß, war die übliche Presse noch nie DER Informationslieferant. Dazu gibts dann Seminare mit entsprechend fachlich Involvierten oder Publikationen, die man speziell bei Fachverlagen anfordern muß. Das können auch Blogger nicht leisten, zumal nicht gedrucktes schnell änderbar ist und daher keine anerkannte Referenz bilden kann.
Schnelligkeit hingegen liefert die Onlinepresse ebenso.
Blogs haben imho eher die Funktion Nischen mit geringer Nachfrage zu bedienen mit Themen, die die Allgemeinheit nicht ständig interessiert und daher kommerziell nicht vermarktbar ist.
Ich mein, man stelle sich vor, eine ganze Redaktion müßte von den Werbeeinnahmen eines Robert Basics leben. Geht nicht, ge? Und wenn Robert Druck- und Vertriebskosten hätte, so könnte auch er nicht davon leben.
[…] In dem besagten Beitrag gehts um meinen Besuch vor einigen Wochen bei der Axel Springer Akademie. Meine Eindrücke habe ich ja bereits zu vermitteln […]