nachdem auch auf dem Barcamp StudiVZ ein heißes Eisen war, bin ich gedanklich auf das berüchtigte „Sautreiben durchs Blog-Dorf“ gekommen und stelle eine Hottest-Liste (deutschsprachig) vor, soweit mir die einzelnen Topics eingefallen sind. Wenn Ihr weitere Problemfälle kennt, einfach kommentieren und ggbfl. verlinken. Die Liste ist leicht gerankt, aber damit würde ich mich nicht so wirklich aufhalten, ob nun der Fall an Position 3 oder 5 oder wo auch immer stehen sollte.
1. Jamba – Johnny Haeusler, Spreeblick.com, The Mother of Blog-Skandal. Johnny war über Nacht der Blogger geworden und die Berichterstattung spitzte sich bis hin zu einem Stern TV Auftritt von Udo Vetter/Lawblog und einem Jamba-Verantwortlichen zu. Die Story traf den Nerv der Zeit, da damals Jamba-Werbung überall im Gespräch war und Eltern eh schon wegen den merkwürdigen Aboverträgen sensibilisiert waren. Seitdem „genießen“ die Samwer-Brüder – Gründer von Jamba – mit Abstand das schlechteste Image aller Web-Entrepreneure. Das hat auch indirekte Auswirkungen: mitunter ist es für ein junges Web-Startup sogar ein echter Community-Nachteil, von den Samwer-Brüder finanziert zu werden, sobald das herauskommen täte.
2. StudiVZ, auslösendes Blog ist mir unbekannt. Ich nehme an, dass es mit der „Zensurmaßnahme“ auf dem StudiVZ-Blog erst richtig losging. Dominierendes Blog ist Blogbar mit dem Co-Autor Don Alphonso (eine Beispielsstory). Man kann mit Sicherheit sagen, dass StudiVZ mit Abstand das bisher am häufigsten diskutierte Thema in der deutschsprachigen Blogosphäre ist. Und, es wird dazu langfristig beitragen, dass Social Networks in Deutschland wesentlich stärker auf Datenschutz wie auch besseren Support achten werden. Das zeigen die bisherigen Gespräche mit SN-Anbieter sehr deutlich auf. Stichworte: VoelkischerBeobachter, Toilettenvideos, Datenschutz, sexuell orientierte Forengrupen, das Dementi mit Turi für die Wirtschaftswoche ein Interview geführt zu haben, Kopie von Facebook, mangelnde Performance, pampige Unternehmensreaktionen auf Kritiken aus der Bloglandschaft, Eiertanz mit Offenlegung der VC-Beteiligungen, etcpp. Falk Lüke/ZEIT-Mitarbeiter hat einen zusammenfassenden Artikel auf sein Blog gestellt, der sehr sachlich den Ablauf des Szenarios schildert.
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3. Heidi Klum, Patrick Breitenbach, Werbeblogger. Heidis Vater bemängelte, dass Patrick auf seinem Blog Werbung mit dem geschützten Namen „Heidi Klum“ betreiben würde. Aus der angedrohten Abmahnung wurde nichts, seitdem herrscht Waffenstillstand ohne Friedensvertrag. Das Thema schwappte aufgrund der Bekanntheit von Heidi auch in die US-Blogosphere über.
4. Transparency International, Moni vom Gedankenträger Blog. TI – ein Verein gegen Korruption – mahnte Moni ab, da sie über das Leid ihrer Freundin klagte, der TI angeblich auf unfeine Art gekündigt hatte. Dieses Thema wurde insbesondere in den klassischen Onlinemedien rceht intensiv aufgegriffen. Am Ende hatte TI davon Abstand genommen, Moni vor Gericht zu zerren und es wuchs Gras über die Sache. Es führte aber auch dazu, dass sich zahlreiche Blogger Gedanken machten, dass aufgrund der unklaren Sachlage TI möglicherweise unberechtigterweie kritisiert und dauerhaft geschädigt wurde. Man sprach von Blog-Mobs (lesenswert!!!). Das führte dazu, das erstmals Blogger vorsichtiger, ja journalistischer wurden, bevor sie eine derartige Story aufgreifen.
5. Klowand, Jens Scholz. Ihm wurde ein internes Mail von Jean-Remy von Matt (Chef einer bekannten PRWerbeagentur) zugespielt, in der sich Jean-Remy über Blogs förmlich auskotzt. Anlass war die unter Punkt 6. von Bloggern zerrissene Du-Bist-Deutschland Kampagne. Zahlreiche Blogger griffen dieses Mail auf. Seitdem ist der Begriff „Klowand“ zu einem Fanal geworden, der immer dann benutzt wird, wenn man über Blogger pauschalisierend und diffamierend herzieht. Und, es endete mit einem Entschuldigungsschreiben von Jean-Remy, über das man sich bis heute uneins ist, ob es denn überhaupt ernst gemeint war oder doch eher strategisch.
6. Du Bist Deutschland, Johnny Haeusler, Spreeblick. Die Kampagne wurde bereits vorher auf zahlreichen Blogs besprochen. Doch erst mit der Veröffentlichung eines Bildes (s. Link) wurde es für die Kampagne brandgefährlich. Natürlich klärte es sich relativ schnell auf, dass der Bezug zum Dritten Reich und dem Slogan „Du Bist Deutschland“ weder beabsichtigt noch sonst irgendwie verschuldet war. Seitdem bescheinigt man seitens den PR-Agenturen Johnny Haeuslers Blog wohl das einzige Blog mit Kampagnenpotenzial zu sein. Es zeigt sich aber auch, dass Blogger, ob sie es wollen oder nicht, eine Verantwortung zu tragen haben. An Verantwortlichkeiten kann man auch wunderbar stolpern, wenn die Erwartungen zu hoch werden.
7. Euroweb, Jens Scholz mit seinem gleichnamigen Blog. Jens hat die Geschichte richtig ins Rollen gebracht (nein, die Story mit der Klowand kam erst nachher zeitlich gesehen, Jens war bis dato nicht unbedingt ein allseits bekannter Blogger!). Es handelte sich um eine Internet-Agentur, der dubiose Vertriebsmethoden, Abzocke und dergleichen vorgeworfen wurde. Auch hierbei war auslösender Faktor, dass Euroweb mit Abmahnungen nur so um sich wedelte und damit den Herdentrieb der Blogger auslöste. Kälber in die Mitte, Mamas und Papas im Kreis einen Schutzwall aufbauend. Bis heute ist es eigentlich nicht so richtig um Euroweb still geworden, da die Firma auf europäischer Ebene agiert, sehr verschachtelt ist und erkennbare Handlungsmuster trotz wechselndem Tätigkeitgebieten aufweist. An sich kein Fall für die Blogger, ein klassischer Fall für Staatsgewalten. Es zeigt auf, wo Blogger ihre Grenzen haben, sobald Unternehmen nicht im Ansatz kooperativ sind und kein Interesse an ihrer Außenwelt zeigen, höchstens Kritiker strategisch kaltstellen (zB Scientology), damit der Umsatz aufgrund konkreter Informationen im Web nicht geschädigt werden kann. An dieser Stelle auch ein ganz, ganz großes Lob meinerseits an den Axonas-Blogger: ich respektiere Julios Lambings Courage, Akribie und Ausdauer zutiefst. Er hat in unzähligen Stunden förmlich eine Akte zu dem Unternehmensgebilde hinter Euroweb erarbeitet, das sich mal ganz locker mit großen Journalistenwerken messen kann. Wenn es einen Blogger gäbe, der es verdienen würde, den Titel „A-Blogger“ zu tragen, dann er! *verbeug* Von daher verstehen mich möglicherweise Journalisten besser, wenn ich nur müde über Sprüche á la „wir da oben, die Profis, ihr da unten, die Blogger“ lächeln kann. Julio Lambing-Blogger gibt es und wird es noch viele mehr geben.
8. Opel-Test, zahlreiche Blogs, kein auslösendes Blog erkennbar mE. Wirres, Daily Pia, MC Winkel und Don Dahlmann bekamen jeweils ein Opel-Auto als Testwagen zur Verfügung gestellt. Es war zum ersten Mal ein aktiver Versuch, auf etwas breiterer Front die Möglichkeit zu testen, ob man Blogs für Marketing-, PR- und Imagezwecke nutzen könnte. Die Blogger diskutierten intensiv über Glaubwürdigkeit, Authentizität und auch Transparenz. Denn, leider wurde nicht von vornherein bekanntgebeben, dass die vier Blogger nebst Fahrtgeld eine „Aufwandspauschale“ erhalten hatten. Das gab den Diskussionen zusätzlich Feuer. Auch dieser Fall hat mit dazu beigetragen, dass Unternehmen äußerst zurückhaltend sind, wenn es darum geht, fremde Blogs einzubinden. Oder auch ein eigenes Blog zu starten, da man den Eindruck hat, dass Blogs insgesamt Werbung sehr negativ gegenüberstehen.
9. Sozialgericht Bremen, Björn Harste, Shopblogger. Björn bekam Behördenpost, dass er mit dem Begriff „Sozialgericht Bremen“ in Google sehr weit oben in den Suchtreffern zu finden sei und dadurch eine Verwechslungsgefahr bestünde. Der Vorwurf wurde mit Hohngelächter unter den Bloggern aufgenommen und zum Schluss einigte man sich auf friedlichem Wege. Zeitlich gab es eine eher zufällige Überschneidung mit dem Heidi-Klum-Skandal. Genau diese zwei Fälle führten aber zum verbreiteten Image der gerne um sich beißenden und antikommerziellen Bloggeria in D. Sozialgericht-Bremen hatte aber zahlreichen Bloggern und Außenstehenden vor Augen geführt, wie stark Blogs bei der Suchmaschinenpositionierung sein können.
Update
Weitere Stories, die auffällig waren:
Blogcounter.de = nach Verkauf des beliebten Online-Trafficzählers wurde bekannt, dass Thomas Promny der neue Eigentümer ist und – ich weiß es nicht mehr so genau – angeblich versteckte Links auf den Blogs platziert hatte, die den CounterCode eingebunden hatten.
Edelman (Top 100) = vor wenigen Wochen hatte die PR Agentur Edelman in Zusammenarbeit mit Technorati eine Liste der wichtigsten Blogs veröffentlicht. Sowohl die manuelle Nachbearbeitung der Liste als auch das Ranking per se wurde in der deutschsprachigen Blogosphäre heftigst diskutiert. Es gab in dem Sinne kein auslösendes Blog, das Thema erschien parallel auf verschiedenen Blogs. Ein Beispielseintrag: Popkulturjunkie, der Macher der Deutschen Blogcharts. Edelman war aber zu der Zeit eh schon sehr stark angeknackst. Aufgrund zahlreicher „Web-2.0-Vergehen“ wurden sie international von der Blogosphere stark unter Beschuss genommen (Stichwort Wal-Mart, Fakeblogs…). Das führte letztlich zur öffentlichen Entschuldigung des Chefs von Edelman, Richard Edelman himself. Das hat mit Sicherheit einige PR-Agenturen rund um den Globus nachdenklich gemacht, einerseits ihre Methodiken zu überdenken (Edelman wird die nicht die einzige Agentur mit Fakeblogs sein) und andererseits überhaupt mit den Zehen ins ehemals so hoffnungsvolle Blogwasser einzutauchen.
Unister, Andreas Dittes hatte eine Sicherheitslücke im Studentennetzwerk gefunden und das Unister mitgeteilt. Daraufhin reagierte Unister äusserst aggressiv. Und die Blogger, als sie davon erfuhren, stellten sich wie immer um das Kälbchen im Kreis auf. Jedoch kam der Inhalt der Mail an Unister zum Vorschein, woraus recht klar hervorging, dass aufgrund der Formulierungen und der bewußt angedrohten Instrumentalisierung der Blogosphere („wenn der große Bruder Blogosphere davon erfährt, dann gibts Haue…“), Unister entsprechend reagiert hatte. Dieser Fall zeigt sehr deutlich die Gefahren auf, die dadurch entstehen, wenn sich Blogger zu schnell und unorganisiert zusammentun, statt vorher die Quelle peinlich genau zu checken, bevor man den Schutzschirm aktiviert.
Callboy-Affäre: es handelte sich um einen äußerst vertrackten Fall. Dabei beklagte ein angeblicher Callboy die Erwähnung auf einem oder mehreren Blogs. Und sobald weitere Blogs über ihn berichteten, beklagte er sich nicht nur, sonder er verklagte reihum all diese Blogs. Der Fall Callboy… wurde sehr intensiv in der Blogosphere besprochen. Und soweit es aussieht, hatte die Blogosphere tatsächlich zum ersten Mal -meine ganz persönliche Meinung- komplett versagt. Es gab nicht diesen Selbstkontrollmechanismus, dass falsche Aussagen von anderen Bloggern korrigiert werden. Niemand hatte es anscheinend wahrhaben wollen, dass ein kranker Mensch Hilfe und nicht des Bloggers Bashing benötigt. Das war auch das erste Mal, dass ich mich geschämt hatte, ein „Blogger“ zu sein. Was auch immer jeder einzelne darunter im Sinne vin Homogenität und Heterogenität verstehen mag.