schon interessant, wenn man sich vor Augen halt, wie rasend schnell sich das Web weiterentwickelt hat. Steve Rubel fasst das prima auf Micro Persuasion (The Transient Web) zusammen. Ich versuchs mal schnell auf deutsch:
– Heute ist die IE Startseite MSN.com. Ab nächstem Jahr wirds Windows Live sein.
– Letztes Jahr hat man Videos per Real Player betrachtet. Heute über YouTube, Google Video und Co.
– Vor zwei Jahren hat man in die MS Encarta reingeschaut, heute schaut jedermann in der Wikipedai nach, wenn man etwas wissen möchte.
– Vor drei Jahren erst hat Friendster.com Social Networks so richtig populär gemacht, heute ist MySpace.com mit über 55 Mio Nutzern eines der global meistbesuchten Webseiten.
– Vier Jahre zuvor kannte man nur Newsletter und Newsseiten, um sich auf dem Laufenden zu halten. Heute nutze immer mehr RSS und Blogs.
– Fünf Jahre zuvor nutzten wir die Google Image Suche, heute sind Anbieter wie Flickr die Anlaufstellen und Bilder kann man über Tags wiederfinden.
– Vor sechs Jahren war Yahoo angesagt, heute dominiert Google.
– Vor sieben Jahren war eine Amazon-Aktie 100 USD wert, heute kostet eine Google-Aktie 415 USD.
– Vor acht Jahren benutzte jedermann Outlook Express, heute lesen immer mehr User ihre Mails im Netz
– neun Jahre zuvor spielten wir Acrophobia (?) online, heute XBox Live oder Second Life oder World of Warcraft.
– Zehn Jahre zuvor bildeten sich Communities rund um GeoCities, heute nutzen wir Plattformen wie MySpace oder Blogs
Ok, soweit seine Zusammenfassung. Ich allerdings kann Steve Rubel nicht ganz zustimmen, was die Massen der Internetsurfer angeht. Zahlreiche Angebote sind – so würden wir heute sagen – immer noch Web 1.0 Services, wie etwas Google Image Search oder Yahoos Bilderangebot. Im Vergleich dazu nimmt sich nämlich das „so beliebte“ Flickr wie ein Winzling aus, wenn man die Userzahlen betrachtet. Ein Yahoo Mitarbeiter hatte das mal vor wenigen Wochen schön relativiert: Flickr hat X Millionen Nutzer, wir hingegen mit unserer good old Bilderdatenbank XXX Millionen Nutzer. Oder Outlook: Nur ein Bruchteil nutzt GMail oder auch den viel älteren Dienst Hotmail. Ich würde sagen, daß locker an die 90% vorwiegend Outlook verwenden, statt ihre Mails rein online zu verwalten. Web.de, GMail etcpp sind nur komplementäre Zusatzmail-Dienste. Oder Wikipedia: Ich behaupte mal frech, daß die allermeisten Surfer immer noch lieber ihren Brockhaus rausholen, statt sich wirklich auf die Wikipedia zu verlassen. Das Nutzungsverhalten im Netz ist an vielen Stellen äußerst persistent mE. Es dauert 10-20 Jahre, daß eine Mehrheit in der Tat neue Dienste nutzen. Gerade wir Blogger, das muss sich immer vor Augen halten, sind eine Nutzungs-Avantgarde im Web. Und betrachten Dienste wie Flickr als das dominierende Medium für Bilder zB. Das Bild trügt, wenn man sich nur über Blogs informiert, statt auf alten Wegen zu wandeln und da mal reinzuschauen. Genauso was den Traffic angeht: Blogs sind nicht die Communities, sondern Foren. Es ist schon lächerlich, wenn man den Traffic und Leserzahlen von einigermaßen gutgehenden Foren mit den von Blogs vergleicht. Durchschnittlich betrachtet: Ein „mittleres“ Blog mit sagen wir mal 1.000 PageImpressions ist gegen ein mittleres Forum mit ca. 10.000 PIs am Tag „chancenlos“. Es verbindet viel weniger Leute als ein Forum.
Sprich: Ja, das Web entwickelt sich immer weiter, aber idR folgen die Massen mit Jahrzehnten Verspätung den neuesten Trends von heute. Das ist aber auch nicht so wild: Denn, wenn nur 5% der Webnutzer in D eine Seite wie XYZ nutzen, sind das immerhin in absoluten Zahlen ausgedrückt ca. 2-3 Mio Menschen. Und welche Non-Webfirma kann schon sagen, 2-3 Mio Kunden zu haben? Its all relative .-) Das ist auch an die Skeptiker gerichtet, die immer nur eines kennen, wenn es was Neues gibt: „Alles nur ein Hype, wer nutzt das schön“. Lieber Startups, tut mir den Gefallen und vergesst ganz schnell solche Meinungen. Nein, nicht müde lächeln, sie haben auf ihre Weise recht, daß nicht alle auf einen Zug aufspringen. Aber so what, wenn man bereits mit wenigen Promille an Websurfern wunderbar erfolgreich sein kann. Denn die Skeptiker denken immer nur in großen Zahlen, statt die Mechanismen der Ökonomie zu beachten: Kleine Firmen backen kleine Brötchen, große Firmen backen große Brötchen. Nur deswegen von Hype zu sprechen, weil ein Markt früh ist oder klein, ist äußerst schwachsinnig. Ich muss daher seit vier Jahren immer schmunzeln, wenn ich wieder mal höre, daß zB Blogs nur eine Zeiterscheinung sind. Auch Pferdekutschen waren nur eine Zeiterscheinung oder Räder, bis irgendwann der Gravitationsantrieb erfunden wird. Kleine Firmen entwickeln sich eben so wie alle Firmen der Welt: Erst klein, dann mittel, dann groß, wenn das Management in der Lage ist, mit dem Wachstum mitzuwachsen.
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