Worum geht es?
Der Jugendliche Mario hatte letztes Jahr auf seiner Homepage www.to-you.de unrechtmäßig Bilder (u.a. von dem Boxenluder Katie Price) veröffentlicht. Diese hatte er auf zwei englischen Websites gefunden, die für scheinbar freie Wallpaper und Handybilder werben.
Irgendwann wurde der Urheberverstoß entdeckt und sowohl der Urheber, ein Fotograf namens Bernhard Kühmstedt als auch die Inhaberin der Lizenzrechte, Bulls Pressedienst GmbH haben beide den Jugendlichen abgemahnt. Genauere Schilderungen möge man bitte auf Heise.de einem Artikel vom 29.10.2005 entnehmen. Dort kann man auch höchst ungewöhnliche Hintergünde erfahren (Fernsehteam, Versäumnisurteil, die medienscheue Anwältin der Klägerin verschwindet aus dem Gerichtssaal… Heise über die Umstände der medialen Berichterstattung (29.10.05): Die Sendung wird heute abend um 22:45 Uhr im hr-fernsehen wiederholt(Teil 1, Teil 2, Teil 3, sehenswert!). Statt, wie von der Redaktion mehrfach angeboten, in der Sendung Stellung zu dem Fall zu nehmen, hüllten sich sowohl die Hamburger Anwaltskanzlei als auch der Münchner Fotograf und der Frankfurter Pressedienst in Schweigen. Die Berichterstattung wurde zudem aufgrund einer von dem Frankfurter Pressedienst beantragten Einstweiligen Verfügung eingeschränkt).
Am 28. März wurde der Jugendliche vom Gericht zu einer Zahlung von über 3.000 Euro Lizenzgebühren verdonnert sowie 85% der Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen. Urteil siehe als Bild. Die erfolgreiche Klägerin ist in dem ersten Fall die o.g. Bulls Pressedienst GmbH. Das zweite Urteil mit der anderen Klägerin (o.g. Fotograf) steht noch aus.
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Was mich besonders stört?
Vorneweg: Es geht mir nicht darum, daß ich vermeintlich für einen rechtsfreien Raum im Internet unabhängig von Besitz und Eigentum plädiere, im Gegenteil. Es geht mir auch nicht darum, auf den ungeheuerlichen Verdacht eines symbiotischen Verhältnisses einzugehen, da für mich zunächst die Unschuldsvermutung gilt, daß keine der klagenden Parteien gemeinsam Sache mit der britischen Webseite macht, um ein auskömmliches Geschäftsmodell zu betreiben. Es geht mir auch nicht darum, daß der Richter Recht gesprochen hat (Gott behüte, daß ich die Unabhängigkeit der Judikative in Frage stelle) und mitunter im Urteil auch anklingen lässt, daß er ein Exempel statuiert. Es geht mir auch nicht darum, ob Bilder vom Boxenluder 10 oder 100 oder 100000 Euro wert sein sollen, noch worin sich der angebliche Geschäftsschaden in welcher Höhe auch immer begründet. Sakra, was soll der Richter auch machen, die Urheberverletzung ist leider Gottes nicht von der Hand zu weisen, was die reine Rechtssprechung angeht.
Es geht mir persönlich lediglich um eine simple, kleine Kleinigkeit: Wie schwer war es für die Rechteinhaber gewesen, Telefonkosten iHv 1 Euro auf sich zu nehmen, mit den Erziehungsberechtigten ein ernstes Wort zu reden, dabei sogar dem Jugendlichen lehrreiche Erfahrungen für sein weiteres Webmaster-Dasein auf den Weg zu geben? Ich bin – jetzt werden wir mal gesellschaftlich – Vater zweier Kinder. Wer Schutzbefohlene über den Rechtsweg meint bestrafen zu müssen, dazu finanziell erheblich belastet, statt einem Jugendlichen einen besseren Weg zu weisen, steht mE ausserhalb der Gesellschaft, um das eine Wort zu vermeiden, das man stattdessen neigt zu verwenden. Ich habe hierbei absolut kein Verständnis und es fällt mir schwer, auch nur ein gutes Argument für das Vorgehen beider Klägerinnen zu finden. Ich betone es gerne nochmals, das ist völlig unabhängig vom juristischen Waffenarsenal zu sehen. Nur weil man im Recht ist, muss man nicht die Rechtskeule auch schwingen.
Mein errechnetes Ergebnis lautet formalkaufmännisch:
1 Euro aus Firmenkasse + 1 jugendlicher Webmaster mit positiver Lebenserfahrung
vs
>5.000 Euro in Firmenkassen + 1 jugendlicher Webmaster mit negativer Lebenserfahrung
=
gesellschaftliche ROI von Bulls Pressedienst GmbH + Fotograf: -5.000%
Gegenseite?
Ihre Meinung, liebe Bulls Pressedienst GmbH? Bitteschön, Sie haben hier die freundliche Gelegenheit zu Wort zu kommen, damit ich in der Rolle eines Vaters und noch viel wichtiger viele junge Menschen erfahren können, wie Sie dazu stehen, vermeintlich ein jugendfeindliches Unternehmen zu sein. Oder gerne auch Sie, Herr Fotograf. Oder uU die Rechtsanwältin.
Resumee
Ich weiss, daß wieder einmal die Wortmelder kommen werden, von wegen Bilderrechte, wie kann man nur so doof sein, warum Blogger mobben etcpp… vergesst das mal alles. Es interessiert mich null, was Bulls Pressedienst anbietet, wie teuer die Bilder sind, wie gut deren Leistung ist. Es interessiert mich auch null, was es alles schon an heftigen Vermutungen gibt, die gar in die Richtug Nepper&Schlepper gehen, da es sich angeblich um wiederholte Fälle handelt, die von den gleichen Quellen ausgehen. Das weise ich weit von mir, überhaupt nur ein Quentchen Partei zu ergreifen in dieser Sache. Solange man defintiv neben den schwerwiegenden Vorwürfen nichts in der Hand hält, das ein Gericht bestätigt, sollte man bitte davon ausgehen, daß die Klägerinnen im formaljuristischen Sinne korrekt handeln. Es tut auch nichts zur Sache, dass ich bisher keine Bilder von dem Pressedienst bezogen habe, noch in Zukunft beziehen werde. Und gar, daß möglicherweise die Familie in eine finanzielle Notlage getrieben wurde (ich kenne die finanziellen Verhältnisse nicht, aber der Spendenaufruf spricht Bände), mag ich nicht beurteilen, das gesellschaftliche Gewissen der Kläger muss das bei Eintreten des familiären worst case alleine verantworten.
Ihr seht hier lediglich einen Vater, dem es fast schon physisch wehtut, daß Unternehmen scheinbar nicht in der Lage sind, auf normalen Wegen mit jungen Menschen zu kommunizieren. Glaubt ja nicht, daß der pathologisch anmutende Drive zur Ingangsetzung formaler Rechtswege gesellschaftlichen Zuspruch findet. Gerade und just in Zeiten der zahlreichen Urheberdiskussionen im digitalen Age. Mit gezückten und durchgeladenen Handfeuerwaffen wird nichts erreicht, um gemeinsam eine langwierige, aber letztlich gute Lösung zu finden. Und schon gar nicht bei Kindern und Jugendlichen.
Salomon hätte…
Ein Bandwurm: Wenn der Richter Salomon heissen würde und er in heutigen Zeiten stattdessen salomonische Urteile sprechen dürfte, hätte der Richter den Jugendlichen Missetäter dazu verdonnert, seine Schuld damit zu begleichen, zusammen mit dem Pressedienst, dem Fotografen und der Anwältin der Klägerseite 100 weitere, jugendliche Webmaster in Rahmen von mehreren Workshops über geltendes Urheberrecht und über die Untiefen des Webs zu informieren, um damit zur Schaffung rechtssicherer Webseiten beizutragen wie auch dem Schutzbedürfnis der Rechteinhaber Rechnung zu tragen (nebst dem PR-Nutzen, wären die Kläger nicht blind auf diesem Auge). Und auch zu zeigen, daß ein gesellschaftlicher Dialog besser ist, denn es dient der Aufweichung der gesellschaftlichen Sprachlosigkeit zwischen dem gewerblichen und dem privaten Lager, der idR über die Urheberverletzungen im Internet in die Begehung formaljuristisch-dialogischer Wege mündet. Denn der Gerichtsfall ist doch lediglich nur ein Ergebnis der aktuellen Metadiskussionen rund um das Urheberrecht und der Verbreitung digitaler Werke über das Web. Es wird wohl kaum jemand verneinen können, daß im Zuge des digitalen Zeitalters das Urheberrecht einer Feinjustierung benötigt, die über die bisherigen Neuregelungen der Legislative weiter hinausgehen. Gesetze und Regelungen, die einer Gesellschaft den Bewegungsrahmen vorgeben, sind das Ergebnis gesellschaftlicher Werte und Normen. Man kann nicht auf rein rechtlichen Wegen mit dem bestehenden „Regelwerk 1.0“ wirtschaftliches und gesellschaftliches Wohl nutzenstiftend für alle Seiten erzwingen, da sich mit dem digitalen Zeitalter bestimmte Werte und Normen weiterentwickelt haben. Wen wundert es zB noch, daß Richter gerade in Fällen rund um das Web ein höchst differierende Rechtssprechung an den Tag legen, da das jetzige „Regelwerk 1.0“ ihnen einen zu großen Interpretationsraum aufzwingt. Insofern: Sprachlosigkeit fördert keinen Dialog, damit auch keinen Nutzen. Sprach Salomon und legte sich wieder in sein Grab 🙂